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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nichts weiter zu fürchten als deine eigene Furcht.«
    »Ach, tatsächlich? Was ist das für eine Hilfe? Meinst du, dadurch wird alles besser? Weißt du, die eigene Furcht kann verdammt scheußlich sein …«
    »Beruhige dich, beruhige dich.«
    »Beim nächsten Mal möchte ich groß sein, verstanden?«
    »Haben die Lebensformen irgendwie versucht, mit dir zu kommunizieren?«
    »Sie schlugen nur dauernd mit ihren langen Barthaaren nach mir! Es war noch schlimmer, als streitende Zauberer zu sehen.«
    »Ja, ich bezweifle, ob sie sehr intelligent sind.«
    »Nun, das gilt auch für die Geschöpfe im Tümpel.«
    »Ich frage mich«, sagte Ponder und wünschte sich einen Bart, an dem er nachdenklich hätte zupfen können, »ich frage mich, ob die Tümpelwesen fähig sind, sich im Lauf der Zeit zu verbessern …«

VIERUNDZWANZIG
    Und trotzdem …
    Das Blaue im Meer der Rundwelt ist keine Chemikalie – jedenfalls nicht im üblichen Sinne des Wortes, der eine ›einfache Chemikalie‹ meint. Es ist eine Masse von Bakterien, genannt Zyanobakterien. Ein anderer Name für sie ist ›Blaugrüne Algen‹, was wunderbar verwirrend ist. Moderne sogenannte Blaugrüne Algen sind für gewöhnlich rot oder braun, die alten aber waren wahrscheinlich wirklich blaugrün. Und Blaugrüne Algen sind in Wirklichkeit Bakterien, während die meisten anderen Algen Zellen mit einem Zellkern haben und also keine Bakterien sind. Die blaugrüne Farbe kommt vom Chlorophyll – doch von einer anderen Art als das in den Pflanzen – zusammen mit orangegelben Chemikalien, die Karotenoide heißen.
    Bakterien erschienen auf der Erde vor spätestens dreieinhalb Milliarden Jahren, nur ein paar hundert Millionen Jahre nachdem sich die Erde soweit abgekühlt hatte, daß Lebewesen darauf existieren konnten. Wir wissen das von seltsamen Schichtstrukturen, die man in Sedimentgestein gefunden hat. Die Schichten können flach und bucklig sein, sie können verzweigte hohe Säulen bilden oder stark gekrümmt sein wie Kohlblätter. Manche Ablagerungen sind knapp einen Kilometer dick und erstrecken sich über Hunderte von Kilometern. Die meisten stammen von vor zwei Milliarden Jahren, doch die von Warrawoona in Australien sind dreieinhalb Milliarden Jahre alt.
    Zunächst wußte niemand, was diese Ablagerungen darstellten. In den fünfziger und sechziger Jahren wurden sie als die Spuren von Bakteriengesellschaften erkannt, insbesondere von Zyanobakterien.
    Zyanobakterien sammeln sich in flachem Wasser an und bilden ausgedehnte schwebende Matten wie Filz. Sie sondern ein klebriges Gel zum Schutz vor ultraviolettem Licht ab, und dadurch bleibt Sediment an den Matten haften. Wenn die Sedimentschicht so dick wird, daß sie kein Licht mehr durchläßt, bilden die Bakterien eine neue Schicht, und so weiter. Wenn die Schichten fossil werden, verwandeln sie sich in Stomatoliten, die ziemlich ähnlich wie große Kissen aussehen.
    Die Zauberer haben nicht mit Leben gerechnet. Die Rundwelt gehorcht Gesetzen, das Leben aber nicht – so denken sie jedenfalls. Die Zauberer sehen einen scharfen Bruch zwischen Leben und Nicht-Leben. Das ist das Problem, wenn man erwartet, daß das Werden Grenzen hat – wenn man meint, es müsse einfach sein, alle Objekte entweder der Kategorie ›lebendig‹ oder der Kategorie ›tot‹ zuzuordnen. Doch das ist nicht möglich, selbst wenn man den Fluß der Zeit ignoriert, wo aus ›lebendig‹ ›tot‹ werden kann – und umgekehrt. Ein ›totes‹ Blatt ist nicht länger Teil eines ›lebenden‹ Baumes, aber es kann durchaus ein paar Zellen enthalten, die wiederbelebt werden können.
    Mitochondrien, jetzt der Teil der Zelle, der ihre chemische Energie erzeugt, waren einmal selbständige Organismen. Ist ein Virus lebendig? Ohne eine Wirtszelle kann es sich nicht fortpflanzen – doch auch DNS kann sich nicht ohne die chemische Maschinerie einer Zelle kopieren.
    Wir haben längere Zeit ›einfache‹ chemische Modelle von Lebensprozessen aufgebaut, in der Hoffnung, ein hinreichend komplexes Netzwerk von Chemie könne von selbst ›starten‹ – selbstreferent, selbstkopierend werden. Es gab das Konzept von der ›Ursuppe‹, einer Menge in den Ozeanen gelöster einfacher Chemikalien, die aufs Geratewohl aneinanderstoßen und rein zufällig etwas Komplizierteres bilden. Wie sich zeigt, geht es so nicht. Man muß sich keine große Mühe geben, um die Chemie der wirklichen Welt kompliziert zu machen – das ist ihr Normalzustand. Es ist leicht,

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