Die Gelehrten der Scheibenwelt
Output.
»Nein, Herr. Felsen haben keinen Blickwinkel.«
Rincewind hob ganz vorsichtig einen Stein, bereit dazu, ihn beim ersten Hinweis auf Zähne oder Krallen fallen zu lassen.
»Das ist doch dumm«, sagte er. »Hier gibt es überhaupt nichts.«
»Wirklich nichts?« ertönte Ponders Stimme im Helm.
»An einigen Felsen klebt Igitt, wenn dir so etwas gefällt.«
»Igitt?«
»Du weißt schon … Schleim und so.«
»Was immer jetzt auch erscheint – HEX ist offenbar der Auffassung, daß es sich um Leben handelt und gleichzeitig auch nicht«, sagte Ponder, der für Schleim nur mäßiges Interesse aufbringen konnte.
»Entzückend.«
»Nicht weit von dir entfernt scheint es eine hohe Konzentrationen der sogenannten Lebensformen zu geben. Wir bewegen dich, damit du dir die Sache aus der Nähe ansehen kannst …«
Vor Rincewinds Augen verschwamm alles, und wenige Sekunden später wollte sich sein Körper dem allgemeinen Schwimmen hinzugesellen, denn er befand sich unter Wasser.
»Keine Sorge«, sagte Ponder. »Zwar befindest du dich in großer Tiefe, aber der enorme Druck kann dir nichts anhaben.«
»Gut.«
»Und das kochendheiße Wasser sollte dir nur lauwarm erscheinen.«
»Prächtig.«
»Und der gräßliche Strom von giftigen Mineralien kann dir kein Leid zufügen, weil du ja eigentlich gar nicht da bist.«
»Oh, ich lache die ganze Zeit über«, erwiderte Rincewind verdrießlich und bemerkte weiter vorn ein schwaches Glühen.
»Es müssen Götter sein«, sagte der Erzkanzler. »Götter sind erschienen, als wir nicht hinsahen. Es gibt keine andere Erklärung.«
»Aber dann scheinen sie nicht besonders ehrgeizig zu sein«, schniefte der Oberste Hirte. »Ich meine, man sollte Menschen erwarten, nicht wahr? Keine … Kleckse, die man kaum sehen kann. Kleckse sind schwerlich in der Lage, sich zu verneigen und Götter zu verehren, oder?«
»Zumindest nicht dort, wo sie sich gegenwärtig aufhalten«, sagte Ridcully. »Der Planet steckt voller Risse! Und unter Wasser sollte es kein Feuer geben. Das ist gegen die Natur!«
»Wohin man auch blickt, überall kleine Kleckse«, stellte der Oberste Hirte fest. »Überall.«
»Kleckse«, wiederholte der Dozent für neue Runen. »Können Kleckse beten oder Tempel bauen? Sind sie imstande, heilige Kriege gegen weniger erleuchtete Kleckse zu führen?«
Ponder schüttelte traurig den Kopf. HEX’ Ergebnisse waren eindeutig: Nichts Festes konnte die Barriere zwischen den beiden Universen durchdringen und die Rundwelt erreichen. Mit ausreichend großen thaumischen Anstrengungen ließ sich ein wenig Druck ausüben, aber das war alles. Natürlich konnte man darüber spekulieren, ob Gedanken das Innere des Projekts erreichten, doch wenn eine solche Möglichkeit bestand, so gingen den Zauberern ziemlich langweilige Dinge durch den Kopf. Die Bezeichnung ›Kleckse‹ eignete sich nicht besonders gut zur Beschreibung dessen, was derzeit in den warmen Meeren schwamm und an den Felsen tropfte. Es gab zu viele Hinweise auf fiebrige Heiterkeit und Aufregung.
»Sie bewegen sich nicht einmal«, sagte Ridcully. »Ich meine, sie schaukeln nur ein wenig.«
»Faule Kleckse, haha«, feixte der Oberste Hirte.
»Könnten wir ihnen irgendwie … helfen?« fragte der Dozent für neue Runen. »Damit sie zu … besseren Klecksen werden? Ich fürchte, wir tragen eine gewisse Verantwortung.«
»Vielleicht können Kleckse gar nicht besser werden«, erwiderte Ridcully. »Was ist denn mit Rincewind los?«
Die Zauberer drehten sich um. Die Gestalt des virtuellen Reisenden, von magischen Rauchschwaden umhüllt, versuchte zu laufen.
»Wenn man jetzt darüber nachdenkt …«, brummte Ridcully. »Glaubt ihr, es war ein guter Einfall, sein Abbild in der Rundwelt zu miniaturisieren?«
»Es gab keine andere Möglichkeit, ihn in den kleinen Tümpel zu bugsieren, den HEX für untersuchungswürdig hielt«, sagte Ponder. »Er muß keine bestimmte Größe haben. Größe ist relativ.«
»Ruft er deshalb nach seiner Mutter?«
Ponder trat zu dem Kreis, der den Thaumanzug umgab, und wischte einige mit Kreide gezeichnete Runen fort. Rincewind fiel auf den Boden.
»Welcher Volldepp hat mich dorthin gebracht?« stieß er hervor. »Bei den Göttern, es war entsetzlich! Die Größe einiger Biester …«
»Eigentlich sind sie ganz klein«, sagte Ponder und half ihm auf.
»Aber nicht, wenn man selbst kleiner ist als sie!«
»Sie stellen nicht die geringste Gefahr für dich dar, mein Lieber. Du hast
Weitere Kostenlose Bücher