Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
um.
Cheng-Si ergriff das Wort und wandte sich mir zu.
„Sei noch einmal herzlich hier willkommen“, sagte
sie. „Ich bin – wie du bereits weißt – die Hausmutter der Nebenfrauen. Manche
hier nennen mich ‚Mutter’, aber es bleibt dir überlassen, wie du mich
ansprichst.“ Sie lächelte und fuhr fort. „Du kannst immer zu mir kommen, wenn
dich etwas bedrückt! Wie ich sehe, bist du noch sehr jung. Wie alt bist du?“
„Ich bin im Frühling dreizehn geworden.“
Cheng-Si betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Sie
hob meinen Rock etwas an. „Dachte ich es mir doch!“, sagte sie. „Du bist gar
nicht nach seinem Geschmack!“, womit sie offenbar meine nicht abgebundenen Füße
meinte, die nun zum Vorschein gekommen waren.
„Ich bin auch nicht gefragt worden!“ Meine Antwort
kam schärfer, als ich es beabsichtigt hatte.
Die Frau verstand: „Nun, das tun sie selten, die
Väter.“
Sie zeigte um sich auf die anderen Frauen, die
neugierig herangetreten waren und darauf warteten, zu erfahren, wer ich war.
„Wenige hier sind wirklich freiwillig hier – außer vielleicht Su-Ling.“
Schallendes Gelächter brach aus und eine Frau von
etwa fünfundzwanzig Jahren kam auf mich zu, verbeugte sich vor mir und
erwiderte mit verschmitztem Lächeln: „Ich bin Su-Ling und ich bin es, die den
Kaiser in die Vorzüge der körperlichen Liebe eingeweiht hat.“
Schamesröte schoss mir ins Gesicht und alle
lachten.
„Oh, da ist wohl jemand noch unberührt? Nun, das
wird sich bald ändern“, gackerte Su-Ling.
„Halte dich zurück“, schimpfte Cheng-Si. „Sie ist
gerade erst angekommen. Nur, weil du älter als der Kaiser bist und ihn in die
Männerwelt entlassen hast, gibt dir das noch lange nicht das Recht, ein neues
Mädchen so einzuschüchtern. Sie wird den Kaiser früh genug kennen lernen.“
Ich wurde bei dieser Bemerkung aus meiner Beobachtung
gerissen. Schüttelnd erinnerte ich mich an Shenzongs Glubschaugen und sein
dickes Gesicht. Seine Hände hatte ich nicht sehen können, aber am Ende waren
sie ebenso dick wie sein Kopf?!
Entsetzt schloss ich die Augen. Meine kindliche Vorstellung
von Ehe passte so gar nicht mit meinem zukünftigen Leben am kaiserlichen Hof
zusammen, denn ich wollte ein Leben führen wie meine Eltern: Man hatte nur
einen Partner, auch wenn viele darüber den Kopf schüttelten in der Meinung,
dies sei nur recht und gut für arme Leute, die es sich nicht leisten konnten,
mehrere Frauen zu besitzen.
„Besitzen“ war das Wort, das mir am meisten
missfiel. Ich wollte kein Besitz eines Zwanzigjährigen sein, der mich zuvor
noch nicht einmal gesehen hatte; war mir sicher, dass ich nie so etwas wie
Zuneigung oder Liebe für diesen Mann empfinden würde. Doch für solche Gedanken
blieb nun keine Zeit. Ich wurde jeder Frau vorgestellt.
Su-Ling, die vorhin das Wort ergriffen hatte,
stand in meiner Nähe. Wenn diese älter als Shenzong war, wie alt war sie wohl
wirklich? Auf mich wirkte sie sehr erwachsen und… Wie sollte ich das
beschreiben? Aufregend…?
Neugierig betrachtete ich ihr bemaltes Gesicht.
Sie sah aus wie ein prächtiger, bunter Vogel, den man nur allzu gerne
anschaute. Die langen, schwarzen Haare glänzten seidig und lagen ihr
wohlgeordnet, eingebunden in rote Seidenbänder, auf dem Rücken. Als ich zur
Begrüßung Su-Lings Wangen an der meinen spürte, fühlte ich eine weiche,
makellose Haut, die ebenfalls seidig war wie Pfirsichblüten. Ich ahnte, was sie
wohl für einen Aufwand betrieb, um einen so makellosen Körper zu haben.
„Herzlich Willkommen, Schwester.“ Su-Ling ergriff
meine Hände und ich stellte fest, dass auch diese samtweich waren. Die ganze
Gestalt war Samt und Seide in Person und selbst ich konnte mir vorstellen, dass
Shenzong bei dieser Frau sehr viel Freude hatte. Es war bestimmt sehr schön,
sich an sie zu kuscheln.
Eine andere Frau drängte sich zwischen uns und umfing
mich in einer festen und zugleich mütterlichen Umarmung. „Ich bin Shinlan.
Herzlich willkommen!“
Meine Aufmerksamkeit ging weg von Su-Ling hin zu
der neuen Frau. Diese war im Gegensatz zu Su-Lings schmaler, hochgewachsener
Gestalt eher klein und rund, aber nicht weniger herzlich. Sie war etwas kleiner
als ich; und sie hatte ein rundliches Gesicht mit leuchtenden Augen, aus denen
der Schalk lachte, obwohl auch sie wesentlich älter als ich sein musste;
vorsichtig schätzte ich sie auf Anfang zwanzig.
Shinlan drückte mir das Gesicht und strich mir
über die Wangen. Dann sah sie
Weitere Kostenlose Bücher