Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
helle Licht blendete mich und schmerzte
hinter meiner Stirn. Ich blinzelte und als ich die Augen öffnete, schien alles
in blaues Licht getaucht zu sein. Ich brauchte eine Weile, um mich an die
Helligkeit zu gewöhnen. Schließlich konnte ich alles normal erkennen, traute
mich aber dennoch nicht, meinen Entführer anzusehen. Als er mir den Knebel entfernte,
musste ich leicht würgen. Aber ich war froh, dieses widerliche Tuch endlich los
zu sein. Ansonsten rührte ich mich nicht.
Kejian geriet über das Warten immer mehr in Rage
und lief rastlos vor mir auf und ab. Schließlich trat er mich in die Seite.
Keuchend brach ich zusammen.
„Schreien sollst du!“, befahl er, doch ich presste
die Lippen aufeinander.
Ein weiterer Tritt folgte, direkt in meine Rippen.
Es knackte und ich musste die Luft anhalten. Den Schmerzensschrei aber verbiss
ich mir. Blut rann von meinen Lippen, so fest hatte ich zugebissen, um die
Qualen zu ertragen.
„Du willst nicht schreien?“, keifte Kejian erbost.
„Ich kann auch anders!“
Er riss ein Messer aus seiner Satteltasche und
schnitt mir ohne Hemmungen den großen Zeh meines linken Fußes ab.
Ich schrie und fiel in Ohnmacht.
***
Bao war noch nicht weit geritten, als er immer
mehr das Gefühl bekam, in die falsche Richtung zu reiten. Je weiter er nach
Norden ritt, umso unruhiger wurde er. Sollte er umkehren?
Er zog die Zügel an, brachte sein Pferd zum Stehen
und blickte suchend um sich. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er nach Westen
geritten wäre. Er riss die Zügel herum und ritt im vollen Galopp zurück.
Ketùn hörte einen gedämpften Schrei, den der Wind
durch das volle Laub an ihn herangetragen hatte. Er stoppte sein Pferd und sah
sich um, um die Richtung besser bestimmen zu können, aus der der Schrei
gekommen war.
Da! Wieder ein Schrei. Ketùn lenkte Nano in
die Richtung und preschte los. Es ging einen Hang hinauf und Ketùn erblickte
tiefe Pferdespuren im Boden. Offensichtlich war hier vor kurzer Zeit ein Pferd
mit schwerer Last hinaufgeritten.
Am oberen Ende des Hanges angekommen, baute sich
eine Felswand auf. Nach einigem Suchen fand Ketùn einen Durchlass. Er saß ab,
band sein Pferd an einen Baum, so dass Bao es sehen konnte, sollte er nach ihm
suchen, und ging vorsichtig durch das natürliche Felsentor. Es war dunkel und am
Ende schien das Licht so hell, dass er nicht sehen konnte, was sich dahinter
befand. Er vernahm Schluchzen und glaubte, eine Frauenstimme zu hören. Sein
nächster Schritt ging auf einen trockenen Ast und es knackte laut. Ketùn ballte
die Faust und sog verärgert Luft durch seine Zähne.
„Idiot!“, schalt er sich leise.
„Komm heraus, Bao!“, hörte er es im nächsten Augenblick.
„Ich habe schon lange auf dich gewartet.“
Doch Ketùn schwieg. Wer war dieser Mann?
„Komm heraus, Bao!“, schrie dieser aufs Neue.
„Oder soll ich deiner Frau auch noch den anderen Zeh abschneiden?“
Ketùn konnte Min-Tao nicht sehen, doch der Mann
klang, als meinte er es ernst. Ketùn suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Wie
konnte er den Mann überwältigen?
„Ich bin nicht Bao Sen-Ho!“, rief er. „Wer seid
Ihr?“
Eine zunächst verwunderte Stimme, die dann in
Groll wechselte, antwortete: „Erst will ich sehen, wer Ihr seid!“
„Wer garantiert mir, dass ich das überleben
werde?“
„Wer garantiert Euch, dass die Frau überlebt?“ Die
Stimme klang belustigt, aber brutal und im nächsten Moment hörte er eine Frau
wimmern. „An ihrem Hals liegt ein scharfes Messer, das sie bereits mit ihrem
Blut beschmutzt hat, das dumme Weib!“
Ketùn wollte nichts riskieren und kam mit
erhobenen Händen aus der Dunkelheit.
„Ihr seid tatsächlich nicht Bao Sen-Ho! Zum
Teufel, wer seid Ihr? Schickt er jetzt schon seine Lakaien?“
Ketùn erblickte die verängstigte Min-Tao, die der
Mann tatsächlich blutbesudelt vor sich hielt. Erneut stieg Zorn in ihm auf.
„Betet besser darum, dass er Euch erst findet, wenn ich Euch getötet habe. Ihr
habt einen großen Fehler begangen, in dem Ihr meine Frau hier verletzt
habt!“ Er presste die Worte zwischen seine Zähne hindurch und man sah ihm an,
dass er sehr wütend war.
Doch sein Gegenüber ließ sich nicht beirren; fand
dies offensichtlich amüsant und fiel in schallendes Gelächter. „Glaubt Ihr, Ihr
könnt mir mit den Worten eines grünen Jüngling Angst machen? Mit Worten, die
nichts weiter sind als Weibergewäsch? – Tut mir einen Gefallen. Geht nach Hause
und holt Euren
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