Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
Vom Netzwerk:
Kribbeln, das dem Biss von tausend
Ameisen glich. Die Muskeln der Beine begannen zu schmerzen, und auch wenn mein
Entführer mir gedroht hatte, so konnte ich mich nicht mehr lange im Sattel
halten.
    „Halt dich gefälligst gerade, Weib!“, herrschte er
mich auch schon an.
    Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt, ob er schon
einmal gefesselt auf einem Pferd geritten wäre; ich würgte an meinem Knebel,
gab zornige Laute von mir und stemmte mich gegen meinen Feind, um ihm in einem
letzten Kraftakt die Stirn zu bieten.
    Meinen Aufstand kommentierte er mit einem Schlag
auf meinen Hinterkopf. „Werd nicht frech. Ich kann dich auch hinter dem Pferd
herziehen, wenn dir das lieber ist!“
    Darauf wollte ich es nicht ankommen lassen und versuchte,
besseren Halt zu erlangen. Schließlich fühlte ich Zweige in mein Gesicht
schlagen und an meinem Körper entlang schrabben. Offensichtlich ging es
bergauf, denn ich fiel leicht nach hinten. Das Pferd wurde langsamer und ging
schließlich in einen leichten Trab über. Irgendwann blieb es stehen und an
meinem Rücken wurde es frisch, als der Mann hinter mir abstieg. Er zog an
meinem Fuß und ich fiel vom Pferd. Mit einem dumpfen Geräusch landete ich auf
dem harten Boden und wimmerte vor Schmerz. Doch eine Pause gönnte mir der Kerl nicht.
Er zog mich auf die Beine; mit jedem Schritt durchfuhr es mich wie hundert
Nadelstiche, da die Nerven noch immer nicht aufgewacht waren. Nach wenigen
Schritten schubste er mich allerdings wieder zu Boden. Die Augenbinde nahm er
mir nicht ab; ebenso wenig die Handfesseln und das widerliche Tuch in meinem
Mund.
    „Hier bleiben wir, bis dein guter Bao dich
gefunden hat“, sagte er.
    Was hatte der Mann vor?
    Unter mir spürte ich Gras. Die abgebrochenen
Stängel verströmten einen herben Duft und wenn ich nicht in dieser misslichen
Lage gewesen wäre, so hätte ich es genossen, in frischem Gras zu liegen, den
Duft des Waldes in der Nase zu haben, und dem Pfeifkonzert der Vögel zu
lauschen. So aber bemühte ich mich, entfernte Geräusche von Reitern zu hören.
Doch dabei war ich nicht alleine. Auch Kejian wartete auf Reiter – genau
genommen auf den Reiter schlechthin; auf meinen Bao.
     
    ***
     
    Ketùn und sein Heerführer hatten sich in das Lager
der Xia begeben, als die Soldaten abmarschiert waren. Wie Schatten bewegten sie
sich und begegneten niemandem.
    Auf leichten Umwegen gelangten sie zu dem Zelt, an
das sich Ketùn erinnerte.
    „Hier war es“, sagte er. „Hier hat man mich empfangen.
Ich nehme an, es ist das Zelt des Kanzlers, da es das größte weit und breit
ist.“
    Bao sah sich um und nickte zustimmend.
    Im Zelt war nichts – genau genommen niemand. Am
Boden lagen blutige Fetzen Stoff und Bao konnte nur vermuten, dass es sich
dabei um das Blut eines Gefangenen, vielleicht Min-Tao, handelte. Zorn wallte
auf in seiner Brust.
    „Er hat sich aus dem Staub gemacht“, bemerkte er.
„Aber wohin?“ Bao trat aus dem Zelt heraus und blickte umher. Nirgends schien
es einen Hinweis auf Min-Taos Aufenthaltsort zu geben. „Verdammt“, fluchte er
und raufte sich die Haare. „Wo kann sie sein? – Überlege!“
    „Lass uns in eine der anderen Himmelsrichtungen reiten.
Vielleicht finden wir eine Spur“, schlug Ketùn vor.
    Bao schüttelte den Kopf. „Nein, wir nehmen uns
jeder eine Richtung vor. Dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir etwas
entdecken. Hinter uns liegt der Westen. Reite du in den Süden“, befahl er,
überlegte kurz, „ und ich wähle den Norden.“
    Sie schlichen sich aus dem Lager und schwangen
sich auf ihre Pferde.
    „Möge einer von uns beiden das Glück haben, sie zu
finden. Und möge der Himmel uns das Geschenk machen, dass sie lebt.“ Bao
unterdrückte die Panik, die in ihm aufsteigen wollte. Wieder einmal beobachtete
er besorgt, wie sich die routinemäßige Gelassenheit während eines Kampfes nicht
einstellen wollte.
    Ketùn klopfte ihm, schon beinahe wie zur Aufmunterung,
auf die Schulter und lenkte sein Pferd schließlich gen Süden.
     
    ***
     
    Während dessen wartete Kejian auf Baos Ankunft.
Nachdem der Tag halb verstrichen war und noch immer kein Bao erschienen war,
wurde Kejian ungeduldig.
    „Wo bleibt er, Dein guter Mann “, höhnte er.
„So weit sind wir doch nicht geritten. Und dieser Ort ist auch nicht so
abgelegen, als dass man ihn nicht fände! Ist er am Ende froh, dich los zu
sein?“
    Erschrocken fuhr ich zusammen, als mir die Augenbinde
gewaltsam vom Kopf gerissen wurde. Das

Weitere Kostenlose Bücher