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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Pilastro
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Kopf nach vorne fiel und Bao ihn mit letzter Kraft zur Seite
schubste.
    In einiger Entfernung fiel Ketùn auf die Knie und
lehnte sich an den Bogen, den er noch immer in der Hand hielt.
    Bao erhob sich und rannte direkt zu Min-Tao. Er
schlitterte die letzten Schritte auf Knien zu ihr hin und nahm ihren Kopf in
seine Hände. Sie lag blutverschmiert am Boden und rührte sich nicht. „Bitte,
wach auf! Du kannst doch jetzt nicht sterben! Nicht nach allem, was war!“ Er
blickte am Körper entlang und sah ihre Füße. Ohnmächtiger Zorn ergriff ihn beim
Anblick der abgeschnittenen Zehe. Doch dies konnte nicht der Grund gewesen
sein, dass sie nicht zu sich kam. Ihre Kleider waren zwar voll Blut, doch es
gab offensichtlich keine offenen Wunden – abgesehen von den Füßen und ein paar
Schnittwunden am Hals.
    Er bemerkte Min-Taos rasselnden Atmen und auch,
dass sie nur schlecht Luft bekam. Da hob er ihre Gewänder zur Seite und sah das
volle Ausmaß der Verletzungen: Über ihrem Brustkorb zogen sich entsetzliche
Blutergüsse bis hin zu ihrem Unterleib; ihre linke Seite war eingefallen, als
hätte sie keine Rippen und Bao nahm an, dass sie komplett gebrochen waren und
sich eine Spitze wohl in die Lunge gebohrt hatte. Er konnte nichts tun. Min-Tao
würde immer weniger Luft bekommen und sterben.
    Er begann bitterlich zu weinen und Tränen tropften
ihr ins Gesicht. Leises Stöhnen war zu hören und sie öffnete die Augen. Min-Tao
starrte jedoch in den Himmel, nichts Bestimmtes fixierend.
     
    ***
     
    Ich fühlte mich eigenartig fremd. Beinahe wie
damals, als ich im Schnee gelegen hatte. Es regnete in mein Gesicht. Entfernt
hörte ich eine Stimme. Seine Stimme…
    „Was hat er mit dir gemacht?“, schluchzte Bao.
    „Er wollte…, dass ich… schreie…, damit du… mich
findest.“ Eine lange Pause entstand und ich sammelte meine letzten Kräfte.
„Doch ich wollte… nicht.“ Tränen traten aus meinen Augen und liefen in
rotgefärbten Rinnsalen über meine Schläfen. „Aber… es tat… so weh, Bao! Ich
habe… es… nicht mehr… ausgehalten!“
    „Schhhh, du musst dich nicht entschuldigen“, sagte
er mit zitternder Stimme. „Du wolltest mich schützen. Dabei hätte ich dich
beschützen sollen!“ Er streichelte mir immer wieder über meine Haare und
wischte sich die Augen an seinem Oberarm trocken. „Komm, ich bringe dich hier
weg. Die Ärzte werden dich wieder heilen.“
    Doch ich wollte mich nicht bewegen. Ich schloss
die Augen und deutete ein Kopfschütteln an.
    „Nein“, murmelte ich. „Ich bin… am Ende… meiner
Reise… an-…gekommen. – Ich bin dort… angelangt, wohin mich… meine Füße…
getragen haben. – Weiter… kann ich… nicht gehen… und… das weißt… du auch. –
Ich… kann… einfach… nicht… mehr! – Es ist… genug.“
     
    ***
     
    Ihre letzten Worte waren fast geflüstert, doch Bao
hätte sie auch wortlos verstanden. Ihm war, als hielte er nur noch die Hülle
der Frau in den Armen, die er mehr als alles auf der Welt geliebt hatte. Was
sein Herz noch zu leugnen versuchte, hatte sein Verstand schon längst
akzeptiert. Er legte sich neben sie und hielt ihre Hand. Von der Seite sah sie
selbst in diesem entsetzlichen Zustand wunderschön aus und sein Herz schien
sich zu verkrampfen.
    „Ich liebe dich“, sagte er.
    Sie wandte ihm ihren Blick zu und ihre Lippen deuteten
ein Lächeln an.
    „Ich… liebe… dich… auuuch“, kam es leise als Antwort.
    Es waren zugleich Min-Taos letzte Worte und Bao
schloss ihr die Lider.

35   DIE ERFÜLLUNG (1)
     
     
    Im Lager der Song, Anfang 7. Mondmonat
     
    Wang Anshi und die kaiserliche Abordnung samt
Kriegsminister waren endlich angekommen, doch beinahe niemand war zugegen. Nur
an den Feuern saßen ein paar Männer, die das Lager bewachten.
    Ein Mann, der gerade damit beschäftigt war, sein
Messer zu schärfen, schickte sie Richtung Krankenlager.
    „Wir haben endlich angegriffen“, informierte ihn
dort ein verletzter Soldat. „War auch Zeit!“, fügte er noch verbittert hinzu.
„Wir haben lange genug gewartet; und ausgerechnet jetzt spielt mein Bein nicht
mit!“ Der Mann starrte frustriert an sich hinunter.
    „Wie lange geht dieser Kampf schon?“, wollte der
Kriegsminister wissen.
    Der Verletzte prüfte den Sonnenstand und schien zu
überlegen. „So genau kann man das ja nie sagen, aber der Gegner ist nicht sehr
stark und vollkommen in der Unterzahl; sie dürften bald wieder kommen.“
    Doch der Kriegsminister wollte keine

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