Die Geliebte des Koenigs
Schule unterscheidet sich schon sehr von der amerikanischen Schule in London und der Schule in Dubai, an der ich vorher ein Jahr lang unterrichtet habe. Doch hier gesteht man mir größere Freiheiten zu, was die Gestaltung meines Lehrplanes betrifft. Außerdem habe ich viel mehr Zeit für meine Kinder – und das habe ich mir immer gewünscht.“
„ Deine Kinder“, wiederholte er gedehnt.
Jesslyn lächelte. Inzwischen hatte sie sich ein wenig entspannt. Über ihr Lieblingsthema zu sprechen tat ihr gut und gab ihr das vorübergehend verloren gegangene Selbstbewusstsein zurück. „So sehe ich sie eben.“
„Warum hast du keine eigenen Kinder, wenn du sie so sehr liebst?“, wollte Sharif wissen.
Augenblicklich fühlte Jesslyn sich wieder verunsichert. Sie senkte den Blick.
Hat seine Mutter nicht mit ihm gesprochen? Kann es sein, dass er es noch immer nicht weiß?
Sie ballte die Hände zu Fäusten. Lang unterdrückte Wut durchströmte sie. Wut auf seine gefühlskalte, manipulative Mutter und Wut auf Sharif. Sharif hätte sie lieben müssen. Sharif hätte damals zu ihr stehen müssen.
„Ich habe einfach noch nicht den Richtigen gefunden“, behauptete sie und sah ihn an.
Dieses Gesicht …
Diese Augen …
Nach der Hitze, die sie durchströmt hatte, schien ihr Blut mit einem Mal zu Eis zu gefrieren. Sie hätte niemals seine Frau werden können. Sie war nicht die Richtige für ihn. Wie hatte seine Mutter es noch so treffend formuliert? Jesslyn war nicht mehr als ein Zeitvertreib und keine Frau, mit der ein Mann eine ernsthafte Beziehung führen wollte.
„Du hast nie geheiratet?“
„Nein.“
„Das wundert mich. Als du damals gegangen bist, war ich sicher, dass du auf der Suche nach etwas Bestimmtem … oder jemand ganz Bestimmtem warst.“
Nein, so war es nicht gewesen. Außer Sharif hatte sie sich nichts und niemanden gewünscht. Aber damals war sie noch sehr jung gewesen und hatte nicht gewusst, wie man kämpfte. Hatte nicht gewusst, wie man das, was man liebte, festhielt und beschützte. „Wir sind gleich bei meinem Apartment“, murmelte sie und deutete aus dem Seitenfenster.
„Meine Mädchen brauchen den Sommer über eine Lehrerin“, erklärte Sharif unvermittelt. „Sie sind aus dem Internat nach Hause gekommen und liegen im Unterrichtsstoff zurück.“
Gleich würden sie ihr Apartment erreichen. Nur noch eine Kurve, dann könnte sie aussteigen, weglaufen, flüchten …
„Ich zahle dir dein dreifaches Jahresgehalt“, fuhr er ruhig fort. „In zehn Wochen könntest du dreimal so viel verdienen, wie sonst in zwölf Monaten.“
Am liebsten hätte Jesslyn sich die Ohren zugehalten. Sie wollte nichts über dieses Jobangebot, wollte nichts über seine Kinder hören. Kinder, die ihm seine wunderschöne und unermesslich reiche Prinzessin geschenkt hatte. „Ich fahre in Urlaub, Sharif. Und zwar noch heute Abend.“
Er blieb beharrlich. „Ich dachte, dir liegt so viel an Kindern. Ich glaube, verstanden zu haben, dass du immer nur ihr Bestes willst.“
Aber es waren nicht ihre Kinder, und sie wollte sich nicht in diese Angelegenheit hineinziehen lassen. „Ich habe Pläne“, wiederholte sie.
„Die kannst du ändern“, sagte Sharif so freundlich, dass Jesslyn unwillkürlich ein wohliger Schauer über den Rücken rieselte. Sie erinnerte sich an diesen Tonfall, und sie traute ihm nicht.
Sie traute Sharif nicht.
Vielleicht, weil sie den wahren Sharif gar nicht kannte.
Der Sharif, in den sie vor neun Jahren bis über beide Ohren verliebt gewesen war, den sie angebetet hatte, hätte ihr das alles nicht angetan. Er hätte nie so einfach eine reiche Prinzessin aus Dubai geheiratet, nur um seine Karriere und sein Königreich abzusichern. Und schon gar nicht so kurz nach ihrer Trennung.
Aber er hatte es getan. Die Bilder seiner pompösen Hochzeit hatten die Titelseiten nahezu aller Hochglanzillustrierten Europas geziert. In den zahllosen Artikeln hatte man nachlesen können, dass Prinz Sharif Fehz die wunderschöne Prinzessin Zulima von Dubai nach einer jahrelangen Verlobungszeit endlich zu seiner Frau gemacht hatte.
Jahrelange Verlobungszeit?
Unmöglich! Ein halbes Jahr vor der Hochzeit waren Sharif und sie noch ein Paar gewesen!
Die schwere Limousine hielt an, und Jesslyn wartete erst gar nicht auf den Fahrer. Rasch raffte sie ihre Sachen zusammen und öffnete die Tür. „Viel Glück, Sharif“, murmelte sie, während sie ihre schlanken Beine aus dem Wagen schwang. Sie würde ihm keine
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