Die Geliebte des Piraten
Roarke ebenso zu verlieren wie Willa.
Seine Qual schüttelte ihn wie ein wildes Tier, erfüllte sein ganzes Sein und ließ ihn an seinen Schuldgefühlen fast ersticken. Willa hatte seinen Worten vertraut, dass er für ihre Sicherheit sorgen würde, und er hatte ihr Vertrauen zerstört, weil ihr Ehegelübde ihm jeden Traum auf eine Zukunft mit ihr genommen hatte. Bis sie ihm die Wahrheit gestanden hatte, war ihm nie bewusst gewesen, wie sehr er einen anderen Menschen brauchte. Für eine kurze, ungewisse – gefährliche – Zeit hätte er mit ihr zusammen sein können. Gott im Himmel, er war so wütend gewesen. Er hatte ihr wehtun wollen, er hatte gewollt, dass sie begriff, wie unermesslich sein Verlust war, wenn ihr immerhin noch die Hoffnung auf die Rückkehr ihres Sohnes geblieben war. Ich bin diese Frau nicht wert, dachte Raiden. Er hatte sein Bestes getan, ihr dies deutlich zu machen, und offensichtlich waren seine Bemühungen letzten Endes erfolgreich gewesen.
Er musste sie finden.
Es stand für Raiden außer Frage, dass er die Dinge nicht auf sich beruhen lassen würde, dass er diesen Bastard von einem Ehemann zur Strecke bringen und Willa zurückholen würde. Und sei es auch nur, um die Dinge mit ihr zu klären, für sie zu klären.
Je länger sie getrennt waren, desto geringer standen für ihn die Chancen, sie zu finden. Er hatte von Roarke keine weiteren Informationen bekommen als die, dass Lord Eastwick Willa mitgenommen hatte. Ginge es nach dem Gesetz, dürfte er sich nicht einmischen. Eastwick war ihr Mann. Doch allein schon daran zu denken, dass dieser Mann sie berührte und seine Rechte bei ihr durchsetzte, zerriss Raiden. Er ließ die Hände sinken und fiel in den hochlehnigen Stuhl zurück. Sein Blick ruhte auf der Bank unter der Fenstergalerie, und er dachte daran, wie sie dort immer gesessen hatte, mit leicht zur Seite geneigtem Kopf, um den Himmel zu sehen. Jedes Mal, wenn er ihr Bild heraufbeschwor, spürte Raiden einen stechenden Schmerz. Auch wenn er versuchte, sich dagegen zu wehren, tauchten die Bilder vor ihm auf. Willas Lächeln, ihr messerscharfer Verstand und – o Gott – ihre Tränen und ihre Zärtlichkeit, wenn er grausam und gemein gegen sie war. Niemand außer Willa hatte es bisher gewagt, so hart mit ihm aneinander zu geraten. Ein trauriges Lächeln lag auf Raidens Lippen, als er daran dachte.
Ich vermisse sie.
Sie hatte in vielen Dingen Recht gehabt, hatte ihn besser gekannt als er selbst. So wie sie gewusst hatte, dass Eastwick sie jagte und dass Dunfee sich mit jemandem zusammengetan hatte. Seine Verbindung zu Barkmon war bekannt, doch Raiden hätte diese drei Männer nicht in Verbindung zueinander gebracht, wäre ihm nicht der Beweis dafür geliefert worden. Und dieser Beweis kam in Gestalt Willas. Sie hatte Recht gehabt in Bezug auf die Kriegsschiffe, die in der Straße von Malakka patrouillierten, und was die Armada von Schiffen betraf, die im Hafen lag. Er hatte die Queens Regard in Malakka erwartet, doch Willa hatte erklärt, dass Dunfee jetzt die Yorkshire befehligte. Doch Raiden hatte bedenken müssen, dass Willas Informationen, da Barkmon sie verfolgte, auch hätten falsch sein können.
Raiden schaute zu seinem Bruder hinüber. Er konnte es nicht ertragen, so untätig herumzusitzen. Er stand auf und ging zur Tür. Sie aufzureißen und nach Balthasar zu rufen war eins. Jabari, der dafür bestraft worden war, einen Befehl nicht befolgt zu haben, kam als Erster herbei. Er ließ den Kopf hängen.
»Bleib bei ihm, bis Balthasar kommt.« Jabari schaute auf, und Raiden sank das Herz, als er die – seltenen – Tränen in den dunklen Kinderaugen sah. Er hockte sich vor ihn hin und sah den Jungen an. »Hatte sie dich gebeten, sie freizulassen?«
Jabari schüttelte den Kopf.
»Rede, Sohn, ich kann nicht deine Gedanken lesen.«
»Nein, Sir. Ich habe nur … habe nur gerade gedacht, es war ungerecht und es war so heiß und Ihr hättet sie nicht zum Weinen bringen dürfen!« Ohne dass Jabari dabei Luft holte, sprudelten die Worte aus ihm heraus.
Raidens Mundwickel zuckte. »Das weiß ich jetzt auch, Junge.«
Jabari hielt dem Blick seines Kapitäns stand. »Ihr werdet sie finden, ja?«
»Ich werde es versuchen.« Raiden richtete sich auf.
»Ihr müsst mehr tun als das, Captain«, sagte der Junge streng, noch immer färbte Zorn seine Stimme. »Sie ist Eure Lady.«
Meine Lady. Raiden schloss die Augen, als eine unsichtbare Faust sich um sein Herz zu schließen und es
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