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Die Geliebte des Piraten

Die Geliebte des Piraten

Titel: Die Geliebte des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
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weiter zu wissen. Es waren vier tote Männer heute Nacht gewesen, und dieser da auf der Straße sei einer davon. Raiden ging zu seinem Pferd zurück, saß auf und ritt in westlicher Richtung davon. Ob Barkmon hier war? Wer war bei Willa gewesen? Wer hatte sie an die Küste gebracht? Und wer waren diese »anderen«, die einen Toten zurückgelassen hatten?
    Mit jeder Stunde, die verstrich, wuchs Raidens Angst, die schreckliche Bilder in ihm heraufbeschwor, Bilder, wie sie sich kein Mensch vorstellen sollte. Sie nährten seine Furcht und seine Schuldgefühle. Jeden, den er auf der Straße sah und der annähernd Willas Größe hatte und ähnliche Kleidung trug, griff er sich, um zu sehen, ob sie es war. Die Menschen wichen vor ihm zurück, und Raiden war blind und taub für den Aufruhr, den er verursachte. Er befragte Dutzende von Männern, denen er die Spitze seines Schwertes an die Kehle hielt, damit sie redeten, und er warnte jeden davor zu lügen, ansonsten würde er sein eigenes Blut zu kosten bekommen. Raiden ritt bis zum entferntesten Ende der Stadt, befragte Eingeborene und Kaufleute, portugiesische und holländische Seeleute. Insgeheim gestand er sich ein, dass er nicht mehr Herr seines Verstandes war, dass seine Emotionen seine Beherrschung auf eine harte Probe stellten. In einer der Schänken packte er schließlich einen Soldaten der East India Company an den Mantelaufschlägen und riss ihn von seinem Stuhl hoch, um ihm ins Gesicht zu sehen.
    »Ein Bursche, klein, grüne Augen. Hast du ihn gesehen?«
    Die Augen vor Furcht weit aufgerissen, schüttelte der Mann heftig den Kopf. Raiden hob sein Schwert, er war bereit, es dem Mann durch die Kehle zu stoßen. Dass mehrere Männer ihre Pistolen auf ihn gerichtet hielten, ignorierte Raiden dabei völlig.
    »Ich schwöre es, Herr! Ich habe keinen Jungen gesehen!«
    »Aber ich«, ließ sich eine tiefe Stimme aus dem hinteren Teil der Schänke vernehmen.
    Raiden wandte sich abrupt um, wobei einige Krüge zu Boden fielen, weil er den Soldaten weiterhin festhielt.
    »Wer seid Ihr? Kommt ans Licht!«
    Eine Gestalt taumelte in das schummrige, rauchverhangene Licht.
    »Roarke!« Raidens Blick fiel auf die blutbefleckte Kleidung des Mannes, und er schleuderte den Soldaten zur Seite. Er drängte sich zu seinem Bruder durch. Kaum war er bei ihm, stützte er ihn und legte sich Roarkes unverletzten Arm um die Schultern.
    »Beeil dich, Mann, wir müssen in See stechen.« Roarke tat sein Bestes, sich auf den Beinen zu halten, während Raiden ihnen mit dem Schwert den Weg zum Ausgang bahnte.
    Draußen lehnte Raiden seinen Bruder gegen die nächstbeste Mauer und untersuchte dessen Verletzung. »Heilige Mutter Gottes«, sagte er. Es war ein glatter Durchschuss.
    »Das ist nicht so schlimm.« Roarke schloss die Augen, als wollte er das Blut zwingen, aufzuhören zu fließen, damit ihm die Kraft bliebe, die er brauchte.
    »Ja, wenn du dich ruhig hältst. Wie lange läufst du schon damit herum?«
    Roarke schob Raidens Hände weg und machte einen unsicheren Schritt. »Wir müssen zum Kai.« Er hatte noch immer den Ausdruck von Eastwicks Gesicht vor Augen, als er seine Frau mit sich gezerrt hatte und in der Dunkelheit verschwunden war. Er würde sie töten. Und er würde es genießen.
    »Doch nicht jetzt, Mann, dazu bist du nicht in der Verfassung.«
    Roarke taumelte. »Ich habe es versprochen.« Trotz seiner Schmerzen packte er Raiden fest an der Schulter »Ich habe es ihr versprochen.«
    Raiden musste nicht fragen, von wem Roarke sprach; dessen Blick sagte ihm mehr, als er wollte. Raiden schluckte heftig. »O Gott. Ihr Mann – hat sie gefunden, habe ich Recht?«
    Ehe Roarke antworten konnte, sank sein Kopf zurück und er brach in den Armen seines Bruders zusammen.
     
    Schweißüberströmt und reglos still lag Roarke in Raidens Bett, während das Fieber in seinem Körper wütete.
    Dem Bett gegenüber saß Raiden an seinem Schreibtisch. Er hatte die Ellbogen aufgestützt, als er sich durchs Haar strich und den Kopf in den Händen vergrub. Unentwegt wanderten seine Gedanken zwischen seinem Bruder und Willa hin und her, und er war unfähig, zur Ruhe zu kommen. Und er hielt es nicht mehr aus, Roarke leiden zu sehen. Die Wunde hatte sich entzündet, das Loch in der Schulter eiterte stark. Binnen weniger Stunden hatte diese Verletzung ihn an die Schwelle des Todes geführt, eine Verletzung, die eigentlich nicht so schlimm war, um sich so heftig zu entzünden. Raiden ertrug den Gedanken nicht,

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