Die Geliebte des Piraten
betrat. Sie sah unbeschreiblich bezaubernd aus in dem prächtigen, rostfarbenen Kleid, dessen Farbton sich mit dem Rot ihrer Haare ergänzte. Das hereinfallende Sonnenlicht schimmerte golden auf ihrer Haut, und die Liebe in ihren Augen ließ sein Herz schneller schlagen. Raiden wandte sich um und öffnete die Arme. Ohne zu zögern glitt Willa in seine Umarmung.
Für eine kurze Zeit hielt er sie fest umschlungen, schmiegte seine Wange auf ihr sonnenwarmes Haar. Er nahm ihren Duft wahr, den Duft nach Wind und Meer und nach Gewürzen. Die Wohlgerüche des Paradieses, dachte er, meines Paradieses – meines Zuhauses.
»Ich liebe dich wahnsinnig«, flüsterte Willa und legte den Kopf in den Nacken, um Raiden zu küssen. Ihre Lippen berührten ihn in einem langsamen, innigen Streicheln, mit dem sie Zeugnis für ihre Liebe ablegte.
Demut erfüllte Raiden bei diesen Worten, die zu hören er niemals müde werden würde. »Und ich liebe dich, meine kleine Füchsin«, sagte er, als sie sich von ihm löste. »Wie geht es Mason?«
Willa lächelte über seinen väterlich-besorgten Ton. Er und Mason hatten den Tag zusammen verbracht, oder genauer gesagt, Mason war ihm wie ein junger Hund überallhin gefolgt. Bei Sonnenuntergang hatte sie die beiden am Pier stehen und fischen sehen, Mason, der noch immer einen gewissen Abstand zu Raiden hielt, aber alles nachmachte, was Raiden tat. »Er verschlingt das Dessert, das der Koch für ihn hergerichtet hat. Ich schwöre, er wird so groß wie du werden, wenn er so weitermacht.«
»Das wäre doch großartig, meinst du nicht?« Der Junge war noch so zart.
Sie lächelte flüchtig, und Raiden bemerkte, wie angespannt sie wirkte. Masons schlaflose Nächte erschöpften Willa.
»Nealy Perth möchte dich sprechen.«
Raiden sah zur halb offen stehenden Tür und runzelte die Stirn. Willa hatte schon vor Tagen erwähnt, dass Perth ihn sprechen wollte. »Schick ihn herein.«
Willa trat zurück, und ein besorgter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, ehe sie sich abwandte und zur Tür ging. Ihre seidenen Unterröcke raschelten leise. Raiden lachte im Stillen und schüttelte den Kopf, als er sah, dass sie weder Schuhe noch Strümpfe trug. Meine kleine Eingeborene, dachte er, als sie durch die Tür verschwand. Er hörte sie leise mit jemandem sprechen, dann betrat Nealy Perth das Zimmer.
Raiden runzelte die Stirn. Der dichte Bart war verschwunden, das Haar war sauber geschnitten und mit einem Band zurückgebunden. Und seine Kleider waren kostbar und hervorragend gearbeitet.
Raiden verschränkte die Arme vor der Brust, und zog eine Augenbraue hoch. »Wen habt Ihr für diese Kleider beraubt, Perth?«
Granville Montegomery versuchte zu lächeln, und ihm ging durch den Sinn, wie sehr seine Söhne einander ähnelten – gut aussehende, hoch gewachsene Männer, die aller Aufmerksamkeit auf sich zogen, einfach weil sie es so wollten. Ganz egal, wie der Anfang ihres Lebens verlaufen war oder welcher Makel ihrer Geburt anhaftete, sie hatten sich hervorragend herausgemacht und er liebte jeden von ihnen, war grenzenlos stolz auf sie und hatte immer gehofft, sie würden sich kennen lernen und Freunde werden können. Doch jetzt konnte er nur an die Freundschaft und das Vertrauen denken, das Raiden ihm entgegengebracht hatte, und das er gleich durch ein paar Worte zerstören würde.
»Niemanden. Sie gehören mir.«
Raiden zog eine Augenbraue hoch, als der Mann näher kam, und sah ihm über den Schreibtisch hinweg entgegen. »Euer Anteil hat es Euch schon ermöglicht, Euch solche Reichtümer leisten zu können?«
»Nein, meine gesellschaftliche Stellung ermöglicht es mir, so angenehm zu leben.«
Gesellschaftliche Stellung. Eine seltsame Vorahnung stieg plötzlich in Raiden auf.
»Ich habe Euch getäuscht. Ich bin nicht Nealy Perth.«
»Wer seid Ihr dann?« Der harte Klang in Raidens Stimme war unüberhörbar.
»Granville Montegomery, fünfter Earl of Sussex.«
Bei der Nennung dieses Namens erblasste Raiden, seine Gesichtszüge wurden schlaff und er ließ langsam die Arme sinken. Er sagte kein Wort, starrte den Mann nur an und wägte den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung ab. Er studierte die Gesichtszüge des Mannes. Ohne den buschigen Bart und mit dem sorgfältig gekämmten Haar erkannte er eine Ähnlichkeit und das Gefühl der Vertrautheit, das er immer in der Nähe Nealy Perths gespürt hatte, fand dadurch eine Erklärung; so, wie es auch seine Art erklärte, sich zu geben, seine Art zu
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