Die Geliebte des Piraten
sprechen.
»Ich sehe, du glaubst mir.«
»Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun. Ich kann die Ähnlichkeit jetzt sehen – und die aristokratische Politur.« Der letzte Teil seiner Antwort kam in ätzendem Spott, während Wut und Groll in Raiden aufstiegen. »Raus!«
»Raiden …«
»Ich sagte raus! «
Granville verstand Raidens Wut, doch er ging nicht. »Ich möchte nur einen Augenblick deiner Zeit. Das wenigstens schuldest du mir.«
»Ich schulde Euch nichts!«, erwiderte Raiden. Er umklammerte die Kante des Schreibtisches, bis seine Knöchel weiß hervortraten, als er sich vorbeugte. »Gar nichts!« Er richtete sich auf und ging zum Fenster, aus dem er hinausstarrte, als sei er allein im Zimmer.
Granville seufzte schwer. »Du hast Recht«, sagte er nach einer langen Weile. »Du schuldest mir nichts. Und du magst mir die Schuld für all deine Probleme …«
»Ich gebe niemandem die Schuld«, schnitt Raiden ihm das Wort ab und sah unverwandt auf die Bucht hinaus. »Aber ich verabscheue Euch dafür, Euren Samen in jede Frau gepflanzt zu haben, die Euch den Kopf verdreht hat, und dass ihr eine Schar von Bastarden gezeugt habt, die für Eure Liebschaften bezahlen mussten.«
»Ich liebe dich, mein Sohn, so wie ich deine Brüder liebe.«
Raiden fuhr herum und starrte ihn an. »Wie Ihr meine Mutter geliebt hast? Oder Sayidda? Roarkes Mutter? Und Gott weiß wie viele andere?«
Granvilles Miene spannte sich an. »Ja. Ich weiß, es ist schwer zu verstehen, aber ich habe sie geliebt. Und ich war jung, Raiden. Jünger als du jetzt und reich und mir war befohlen worden, mir eine Ehefrau zu nehmen, während ich nichts anderes wollte, als die Welt zu sehen. Und deshalb bin ich lieber auf Reisen gegangen, statt mich an eine Frau zu binden, die ich mir nicht gewählt hatte.«
»Ich will nichts davon hören.«
»Bei Gott, Mann, das wirst du. Du magst den Boden verabscheuen, auf dem ich stehe, aber ich bin dein Vater! Und du wirst zuhören!«
Raiden sah ihn an. »Fordert mich nicht heraus, Mylord. Ihr wisst, dass ich Euch am liebsten auf der Stelle umbringen würde.« Noch während er diese Worte aussprach, wusste er, dass er diese Drohung niemals wahrmachen könnte. »Und was Ihr zu sagen habt, interessiert mich nicht.«
»Auch nicht, wenn es Percival Dunfee betrifft?«
Raiden sah den Mann aus schmalen Augen an.
»Percival Dunfee war der Mann Eurer Mutter.«
Raidens Gesichtszüge erschlafften. Granville fuhr fort, die Umstände zu enthüllen, unter denen Raiden geboren worden war und was sich danach ereignet hatte. »Unsere Affäre war vor ihrer Ehe mit Dunfee. Sie hat ihn geheiratet, ehe ich erfuhr, dass sie dich empfangen hatte.« Er stieß einen langen, müden Atemzug aus. »Er hat nie irgendetwas unternommen, mir zu schaden. Stattdessen hat er seine Aufmerksamkeit auf dich gerichtet.«
Raiden schnaubte vernehmlich, zweifelnd.
Granville runzelte die Stirn. »Du glaubst mir nicht? Er hat dich aus ihrem Haus geworfen, nachdem sie gestorben war.«
Raiden antwortete nicht gleich. Er ging zum Schrank und füllte zwei Gläser mit gewürztem Rum, dann wandte er sich zu seinem Vater um. Für einen Augenblick erkannte Raiden den Ausdruck tiefer Traurigkeit in den Augen des Mannes, so tief und wahr, dass es ihn innehalten ließ. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute Granville zu Boden, ehe er den Blick wieder hob. Raiden reichte ihm ein Glas Rum.
Mit einem matten Lächeln nahm Granville es an und leerte es zur Hälfte, ehe er seinen Sohn wieder ansah.
»Ihr wisst gar nichts von mir, nicht wahr?«, fragte Raiden und lehnte sich gegen seinen Schreibtisch.
»Du bist ein Mann, der nur schwer aufzuspüren ist.«
»Mein Leben besteht darin, mich zu entziehen. Das ist so, seit ich ein Kind war. Stehlen und davonlaufen. Sich nehmen, was sich bietet, denn ganz egal wie sehr ich es versuchte, niemand gab mir die Chance zu beweisen, dass auch ich etwas wert war. Noch kümmerte es irgendjemanden.« Mit einer Stimme, die viel ruhiger klang als er es für möglich gehalten hätte, erzählte Raiden Granville von seinem Leben, wie man ihn auf der Straße schanghait hatte und er in den Marinedienst gepresst worden war. Er erzählte ihm in allen Einzelheiten von den Schrecken, die er erlitten hatte, und ließ seinen Vater dabei nicht aus den Augen, der zusammengesunken auf seinem Stuhl saß und plötzlich sehr, sehr alt wirkte.
Einen Augenblick später bedauerte Raiden es. Es war schlimm genug, dass er selbst dies alles
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