Die Geliebte des Prinzen
Reichtum geprägte City wirkte auf Grace so hart und unerbittlich wie das Herz ihres Ehemannes. Und an diesem eisigen Silvesterabend auch ebenso kalt.
Trübsinnig blickte sie aus dem Fenster ihres großen, eleganten, einsamen Schlafzimmers. Nach knapp einer Woche in dieser riesigen Stadt, diesem Nebeneinander von alter Armut und neuem Reichtum, war sie noch kaum vor der Tür gewesen. Nur beim Arzt und zum Einkaufen in den exklusiven Geschäften im Luxusdistrikt Barvikha und in der Tverskaya-Straße, einer elitären Shoppingmeile in der Innenstadt. Beide Male war sie in einem Humvee Rover mit getönten Scheiben chauffiert und von zwei kräftigen Bodyguards begleitet worden. Zwischen Männern, die vor Macht und Reichtum strotzten, und deren mit Pelzen und Diamanten behangenen Vorzeigefrauen hatte sie ihre Einkäufe getätigt.
Von der Stadt hatte sie bisher wenig gesehen. Nur den dichten Verkehr auf der Straße ins Nobelviertel Rubljovka und die überdimensionalen Reklametafeln an Moskaus Ringstraßen, die für Luxusautos und Schmuck warben, während ringsum noch verblassende, in Stein gemeißelte Symbole von der kommunistischen Herrschaft zeugten.
Obwohl Grace teure Geschäfte immer gehasst hatte, boten ihr diese nun die einzige Möglichkeit, ihrer Luxusherberge für eine Weile zu entfliehen. Umgeben von Leibwächtern und Personal, hatte sie keine Minute für sich allein.
Und doch war sie so einsam wie nie zuvor.
Sie war eine Gefangene in einem bewachten Palast. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als sich Maxims Willen zu unterwerfen. Das hatte er ihr unmissverständlich klargemacht, bevor er sie am ersten Weihnachtstag in einer lieblosen Zeremonie in Las Vegas geheiratet hatte.
Als ihre Familie vom Weihnachtsgottesdienst nach Hause gekommen war, hatte Grace ihrer Mutter gestanden, dass sie schwanger war. Und behauptet, den Vater ihres Kindes zu lieben. Tapfer hatte sie die freudige Überraschung ihrer Familie und die Glück- und Segenswünsche zu ihrer geplanten Blitzhochzeit entgegengenommen. Als ihre Mutter erfuhr, dass das Paar noch keine Ringe besaß, hatte sie ihren eigenen Ehering vom Finger genommen. In siebenundzwanzig Jahren hatte sie ihn nicht einmal abgelegt.
„Dein Vater hätte gewollt, dass du ihn bekommst.“ Mit feuchten Augen hatte sie Grace den schlichten Goldring mit dem halbkarätigen Diamanten überreicht. „Er wäre glücklich, wenn er dich jetzt sehen könnte.“
Zwei Stunden später hatte auch Grace nur mühsam die Tränen zurückhalten können. In einer kleinen russischen Kapelle in einem Luxusresort in Las Vegas, das einem von Maxims Millionärsfreunden gehörte, gaben sie einander das Jawort. Doch es waren keine Freudentränen, die Grace unterdrückte, als sie Maxim vor dem mit brennenden Kerzen und russischen Ikonen geschmückten Altar ewige Liebe und Treue gelobte. Mit ausdrucksloser Stimme und kaum einen Blick in ihre Richtung werfend, legte auch er sein Gelöbnis ab.
Auf diese unromantische Hochzeit folgten keine vergnüglichen Flitterwochen. Maxim war mit seiner frisch angetrauten Ehefrau nach Moskau geflogen und hatte sie in seinem palastartigen Wohnsitz in einer reichen Wohngegend außerhalb der Stadt untergebracht. Grace hatte keine Ahnung, wo er seither seine Tage und Nächte verbrachte. Sie redete sich ein, dass es sie nicht interessierte.
Ihr einziger Trost war, dass ihre Lieben nun nichts mehr zu befürchten hatten. Ihre Familie würde weder ihr Haus verlieren noch je wieder Geldsorgen haben. Maxim hatte die gesamte Hypothek beglichen und ihrer Mutter ein großzügiges Guthabenkonto eingerichtet, um sie finanziell abzusichern und den Jungen ein Studium zu ermöglichen. Sie alle waren glücklich, weil sie dachten, Grace wäre es ebenso.
Doch Grace war gekauft worden.
Verzeih mir, dass ich dir das antue, Baby, dachte sie, während sie gedankenverloren über ihren Bauch strich. Sie sah sich in dem geräumigen, sehr feminin eingerichteten Schlafzimmer mit dem blauen Himmelbett und dem zierlichen Sekretär um. Der Raum nebenan war leer. Maxim hatte sie angewiesen, dort das Kinderzimmer einzurichten, doch Grace hatte sich noch nicht dazu durchringen können. Sie wollte ihr neues Leben hier nicht akzeptieren. Auch nicht die Tatsache, dass dies das Zuhause ihres Kindes sein sollte.
Als sich die Abenddämmerung über die Skyline von Moskau senkte, sah sie Maxims gepanzerte Limousine vorfahren. Wo hatte er während der vergangenen sechs Tage gesteckt? Wo hatte er
Weitere Kostenlose Bücher