Die Geliebte des Prinzen
ich gebe auf. Bitte reich umgehend die Scheidung ein. Ich verzichte auf Unterhalt. Ich wünsche dir alles Glück der Welt für dein gemeinsames Leben mit Francesca, der Frau, die du liebst.
Grace
Kein Baby? Sie hatte ihn angelogen?
Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn, seine Kehle wurde eng. Mit fahrigen Fingern riss er sich die Krawatte vom Hals, dann las er die Botschaft erneut.
Ihre Schwangerschaft hatte ihn erschreckt, aber jetzt wurde ihm klar, wie viel ihm dieses Baby inzwischen bedeutete. In den wenigen ruhigen Momenten zwischen den anstrengenden Fusionsverhandlungen hatte er sich Tagträumen über dieses Kind hingegeben. Würde es das klassische Profil der Rostovs erben? Graces hellblondes Haar und ihre blauen Augen?
Wütend schleuderte er den Zettel von sich. Als der nur sanft zu Boden flatterte, schmetterte er die Nachttischlampe an die Wand.
Es gab kein Baby. Sie hatte die Schwangerschaft erfunden, um an sein Geld …
Geld?
Er stutzte. Grace und geldgierig?
Wie oft hatte er ihr Geld angeboten, und sie hatte es abgelehnt? Alles hatte sie abgelehnt – Juwelen, Designermode, schicke Autos, einfach alles. Grace scherte sich nicht um irgendwelchen Luxus, der über Lebensmittel, Kleidung und ein Dach über dem Kopf hinausging. Die teuren Kleider, die sie in Moskau gekauft hatte, hingen alle noch im Schrank. Sie hatte nichts mitgenommen. Nicht einmal die unschätzbar wertvolle Tiara, das Erbstück der Großherzogin.
Grace hatte nicht gelogen, als sie gesagt hatte, sie sei schwanger.
Sie log jetzt.
Er hob den Zettel auf, las die letzte Zeile erneut: „… mit Francesca, der Frau, die du liebst.“ Irgendwie musste es Francesca gelungen sein, Grace davon zu überzeugen, dass sein Herz seiner ehemaligen Geliebten gehörte.
Woran er durchaus nicht unschuldig war, wie er sich zerknirscht eingestand. Wie oft hätte er Grace davon überzeugen können, dass er das Kind und sie wollte! Wie viele glückliche Stunden hätte er mit ihr verbringen können, anstatt sie allein im Palast zurückzulassen! Er hatte behauptet, sein ungeborenes Kind schützen zu wollen, aber er hatte sich noch nicht einmal wie ein verantwortungsvoller Ehemann und Vater verhalten.
Grace dagegen wollte nur sein Glück, selbst wenn sie ihn dafür einer anderen Frau überlassen musste.
Er war zutiefst beschämt, und diesmal versuchte er nicht, sich herauszureden. Er hatte ihre Liebe nicht verdient. Er hatte Grace nicht verdient. Aber … er liebte sie.
Sie war anders als alle Frauen, die er je gekannt hatte. Vertrauensvoll, aufrichtig und bereit, sich für andere aufzuopfern. Ja, er liebte sie. Doch vor lauter Zorn und verletztem Stolz hatte er sein eigenes Glück zerstört. Und ihres dazu.
Wie konnte er nur so blind, egoistisch und dumm sein?
Maxim besaß Geld, Macht und Einfluss – alles, wovon er als armer Junge geträumt hatte. Doch ohne Grace bedeutete ihm der Erfolg nichts mehr.
Was nützte es ihm, einer der reichsten Männer der Welt zu sein, wenn er die Frau, die er liebte, nicht haben konnte?
12. KAPITEL
Grace rieb eine Ecke des vereisten Zugfensters frei und sah hinaus auf den Baikalsee und die fernen Berge. Das endlose Weiß des tiefsten Binnengewässers der Welt glich einer gespenstischen Schneelandschaft. An seinem Ufer türmten sich meterhoch rasiermesserscharfe Eisschollen.
Wie lange saß sie schon in diesem Zug? Seit ihrer Abreise aus Moskau schienen die langen, düsteren Tage und noch düstereren Nächte nahtlos ineinander überzugehen. Trübsinnig musterte sie die verstreuten Holzhäuser eines kleinen Dorfes am Berghang, dessen Namen sie nicht kannte, weil sie die kyrillischen Buchstaben nicht lesen konnte.
Sibirien.
Sie hatte die Transsibirische Eisenbahn bestiegen, in der Hoffnung, die Reise würde sie auf andere Gedanken bringen. Und weil Maxim sie hier nicht so leicht aufspüren würde. Er würde die Flüge und vielleicht auch die Züge in Richtung Westen überprüfen, aber hier würde er sie sicher nicht vermuten.
Wenn er sich überhaupt die Mühe machte, nach ihr zu suchen.
Müde lehnte sie ihre heiße Stirn an das kalte, beschlagene Fenster. Anstatt die Erfüllung ihres Kindheitstraumes zu genießen, dachte sie immerfort nur an den Mann, den sie in Moskau zurückgelassen hatte.
Der Bahnhof, an dem der Zug hielt, bestand nur aus einem einzigen schmalen Bahnsteig. Drei Frauen in dicken Mänteln und Mützen boten den Reisenden Fisch, selbst gebackenes Brot und Obst zum Verkauf an. Nach endlos langen
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