Die Geliebte des Rebellen
und Unterstützung zu gewähren wie nur möglich. Es war eine schreckliche Zeit für ihn, und wir alle danken dem Herrn, dass Ihr den Fängen dieses Verrückten entkommen konntet.”
Dunstan sah irritiert auf den Mann und den Jungen, die nicht von AnnaClaires Seite wichen. “Und wer sind diese Leute, wenn ich fragen darf?” erkundigte er sich.
“Der Bruder des Verrückten”, gab Conor mit eisiger Stimme zurück.
“Conor O’Neil, das ist Lord Lynley Dunstan.” Die Männer nickten sich zu, und AnnaClaire fuhr schnell fort: “Und dieser Junge heißt Innis Maguire.”
Verwundert schaute Dunstan zwischen Conor und ihr hin und her. “Wie ist es möglich, dass Ihr Euch freiwillig in die Gesellschaft der Familie Eures Peinigers begebt?”
“Uns zu kennen heißt uns zu lieben”, warf Conor schmunzelnd ein, und Innis lachte trocken auf.
Bevor das Wortgefecht fortgeführt werden konnte, verkündete ein livrierter Lakai das Eintreffen der Königin, und die Menge verstummte schlagartig. Die Herren verneigten sich ausnahmslos, und sämtliche Damen versanken in einem tiefen Hofknicks, als Elizabeth eintrat. Niemand wagte es, sich aufzurichten, bevor die Königin ihren Thron bestiegen hatte.
Elizabeth trug eine Staatsrobe in königlichem Purpur, dazu einen mit Edelsteinen besetzten Gürtel. Um ihren Hals lag eine mit Juwelen bestickte Halskrause, eine dreireihige Perlenkette reichte ihr bis zur Taille. Noch mehr Schmuck glitzerte in ihrer kunstvoll hochgetürmten Frisur. Insgesamt war Elizabeth eine imposante Erscheinung und daran gewöhnt, ihre Untertanen zu beeindrucken.
AnnaClaire sah Innis besorgt an. Er hielt ihre Hand schmerzhaft fest umklammert, und als sie seiner Blickrichtung folgte, erkannte sie auch den Grund für seine Erregung.
Die Königin war umgeben von ihren Beratern, die rechts und links von ihr Platz nahmen. Hinter ihnen stand in einem Halbkreis eine Gruppe Soldaten mit zum Gruß erhobenen Schwertern. Genau in der Mitte dieser Gruppe befand sich als Ehrengast des Tages der Soldat Tilden.
“Der Bastard”, flüsterte Conor kaum hörbar. “Wenn ich mein Schwert hätte, würde ich ihn auf der Stelle töten.”
AnnaClaire berührte sacht seinen Arm. “Du hast eine bessere Waffe, Conor. Die Wahrheit wird bewirken, dass Rory freigelassen wird und Tilden seine gerechte Strafe bekommt.”
Tief im Innern war AnnaClaire froh, dass Conor und Innis ihre Waffen hatten abgeben müssen. Nachdem er gesehen hatte, wie Rory zugerichtet worden war, hätte sich Conor zweifellos in einen Kampf gestürzt und damit jede Möglichkeit zunichte gemacht, Rorys Leben zu retten. Und was Innis betraf, so mochte AnnaClaire keine Vermutungen darüber anstellen, wozu der Junge fähig sein würde.
Stundenlang hörte sich die Königin die Klagen und Beschwerden ihrer Untertanen an und traf in jedem einzelnen Fall eine wohlüberlegte Entscheidung. Staunend hörten AnnaClaire, Conor und Innis von den unterschiedlichsten Problemen. Manche davon waren ausgesprochen belanglos, manche bedeutsam.
Zusehends verschlechterte sich Elizabeths Laune. Es war unschwer zu erkennen, dass die Regentin erschöpft war und keine Lust mehr hatte, sich noch länger mit den Kümmernissen einfacher Leute zu befassen.
“In der Angelegenheit des irischen Gesetzlosen Rory O’Neil, bekannt auch unter dem Namen Blackhearted O’Neil, hat dessen Bruder, Conor O’Neil, um eine Audienz bei Eurer Hoheit ersucht mit der Bitte, dass sein Bruder hier und heute vorgeführt wird.”
Aufgeregtes Gemurmel folgte dieser Ankündigung. AnnaClaire konnte aus den Wortfetzen, die sie hier und da aufschnappte, schließen, dass die Menschen empört und wütend waren. Wie konnte es der Bruder des Blackhearted O’Neil wagen, sich der Königin in dieser Weise zu nähern.
Als Rory jetzt in Ketten hereingeführt wurde, machte sich der Unmut der Leute in lauten Rufen und Flüchen Luft. Viele der Frauen mussten sich beim Anblick seines zerschundenen, von Beulen und Blutergüssen entstellten Gesichts ein Tuch vor die Nase halten, um nicht vor Ekel ohnmächtig zu werden.
Tilden stand nach wie vor hinter der Königin. Er schaute sehr finster drein und hielt mit einer Hand den Griff seines Schwertes umfasst.
AnnaClaire musste heftig blinzeln, um die Tränen zurückzudrängen. Keinesfalls wollte sie sich die Blöße geben, in aller Öffentlichkeit zu weinen. Aber es schmerzte sie unendlich, den stolzen, starken Mann, den sie über alles liebte, wie einen gemeinen Halunken
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