Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
sie alle wieder, die Wälder und Wiesen, die Gärten und Stromufer, an denen der Geliebte ihr die ersten Veilchen gepflückt. Die Vögel sangen, wie sie damals gesungen, als seine Lippen ihr heiß geflüstert, was sein Herz empfand — Liebe und wieder Liebe!
Wie lange würde es währen, dann blühten die Rosen um den alten Pavillon in Versailles, blühten in duftender Fülle für eine andere, während sie in ihrem selbst gewählten Grabe verschmerzt, vergessen war — ausgelöscht aus dem Buch des Lebens.
Louise bewegte fortwährend die Worte in ihrem Herzen, die sie zu dem König sprechen wollte, sobald sich die Gelegenheit bot.
„Ich sterbe vor Kummer, Sire”, wollte sie ihm sagen. „Gott allein in seiner Gnade vermag es, mich Ihre Grausamkeiten vergessen zu machen.”
Es war, als ob der König ahne, was sie für ihn auf der Zunge trug, und dem Geständnis aus dem Wege ginge. Endlich traf sie ihn allein. In Gedanken verloren, schritt er unterhalb der großen Terrasse von Saint-Germain, die Blicke von den Türmen von Saint-Denis abgewendet. Louise trat an ihn heran, so scheu, als habe sie nie das Recht besessen, an seiner Seite zu gehen.
„Sire”, bat sie schüchtern, „darf ich ein Wort an Sie richten?”
Er erschrak vor dem beinahe überirdischen Ausdruck ihres blassen Gesichts. Etwas wie Reue regte sich in ihm. Was hatte er aus diesem schönen, jungen Geschöpf gemacht, das ihn geliebt hatte in schrankenlosem Vertrauen! Er nickte halb abgewandten Antlitzes.
„Sprechen Sie, Herzogin.”
In stiller Resignation schritt sie neben ihm, die Hände wie zum Gebet ineinander gelegt.
„Bossuet hatte es übernommen, Sire, Sie von dem Schritt zu unterrichten — ich weiß nicht — ”
Er unterbrach sie heftig.
„Von welchem Schritt, Louise? — Ich hoffe, Sie meinen nicht das Kloster —?”
Sie senkte die Augen und sagte fest: „Ganz gewiss meine ich das, Sire. Es ist mein unumstößlicher Entschluss, in wenigen Tagen bei den Karmeliterinnen einzutreten.”
Kalte Schauer rannen über den Körper, durch die Seele des lebensfrohen, genusssüchtigen Mannes. Ein Grabgewölbe, in dessen eisige Finsternis ein blühendes Menschenleben eingesargt wurde, tat sich vor ihm auf!
„Um Gott, Louise, Sie sollten in Wahrheit diese Absicht hegen! Ich habe bisher nicht daran geglaubt.”
„Noch einmal, Sire, es ist mein unumstößlicher Entschluss. Ich habe mit der Welt abgeschlossen.” Sie senkte die Stimme. „Was ich zuletzt hier gefunden, war zu bitter, um es länger zu ertragen —”
Der König wandte sich ab.
„Und Ihre Kinder, Louise?”
„Sie brauchen mich nicht mehr, dank der Gnade Eurer Majestät.”
„Aber Sie lieben sie, Louise!?”
„Ich liebe sie, ja, über alles, Sire — aber weil ich sie liebe, möchte ich es ihnen ersparen, sich dereinst ihrer Mutter schämen zu müssen. Der ,Schwester Louise', die, wenn Gott ihr Gnade schenkt, ihre Schuld im Kloster büßt, werden meine Kinder in Liebe und Achtung gedenken können.”
Das Herz des Königs zog sich zusammen. Welch eine große, edle Seele trieb er in den lebendigen Tod!
Er verlor sich in Sophistereien, weil er nichts anderes fand. Nichts auf Erden währt ewig, alles ist dem Wandel unterworfen, sagte er sich. Die Louise von heute war die Louise von einst nicht mehr. Die Last seines Königtums brauchte ein Gegengewicht — und dieses Gegengewicht war das lachende Gesicht, der scharfe, kühl erwägende, von keinem Ballast an Gefühlen beschwerte Verstand Athenais von Montespans!
Er reichte Louise die Hand.
„Wenn Sie nicht anders wollen, gehen Sie mit Gott, Herzogin.”
Louise neigte sich tief, um ihm die Tränen zu verbergen, die in ihren Augen aufgestiegen waren. Welch eine grausame Veränderung! Einst hatte der König sie mit Gewalt aus dem Kloster geholt, sie von dem Kreuz des Heilands, in dessen Schutz sie sich vor ihrer Liebe geflüchtet, losgerissen. Heute, da das Kloster sie auf ewig begraben sollte, gab er seinen Segen zu diesem Schritt!
Sie musste alle Kraft zusammennehmen, um nicht laut aufzuschluchzen.
Für den 28. April hatte Louise von La Vallière im Einverständnis mit Mère Claire du Saint-Sacrement ihren Eintritt bei den Karmeliterinnen festgesetzt.
Acht Tage vorher begann die Herzogin ihre Abschiedsbesuche zu machen. Sie fasste diese Besuche als einen Akt gesellschaftlicher Höflichkeit auf. Sie gab sich verbindlich und liebenswürdig, sie ließ niemanden in ihre Seele sehen. So fertig war sie mit der Welt,
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