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Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Titel: Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Duncker
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Heiligen Schrift. Ein Stuhl aus grobem Strohgeflecht stand zur Seite gerückt.
    Louis bedeckte die schönheitsdurstigen, wollustgewöhnten Augen mit den Händen.
    „Oh mein Gott, Louise”, stöhnte er von Grauen geschüttelt, „wo führen Sie mich hin! So jung noch, so schön, wollen Sie an solcher Stätte armseligen Elends ihre Tage beschließen? Haben Sie — habe ich solche Strafe verdient?”
    Sie sah an ihm vorbei mit verklärtem Blick.
    „Keine Strafe, Sire — eine Gnade des Himmels, der ich immer mehr teilhaftig zu werden hoffe. Sie sehen nur die dunkle traurige Außenseite meines zukünftigen Lebens — Sie ahnen nichts von seinem inneren Gehalt.”
    Sie hob den Kopf, ihre Augen strahlten in überirdischem Glanz.
    „Ich aber sehe diesen Gehalt wie einen goldenen Nebel vor meinem inneren Auge, strahlend wie Monstranzengold. Aus den weiß gekalkten Mauern, die Ihnen so schrecklich erscheinen, schweben die Heiligen empor und grüßen mich. Ihre weißen Flügel wachsen und schirmen mich. Sie heben sich hoch und höher, die enge Zelle öffnet sich über mir, goldene Wolken schweben darüber hin, Gesang und süßes Saitenspiel ertönt, himmlische Boten halten mich bei den Händen und weisen mir die schimmernden Unendlichkeiten der Gotteswelt.”
    Der König war tief erschüttert. Hatte er ein Recht, sie zurückzureißen aus ihrem teuer erkauften Frieden, aus jenen inneren Seligkeiten,die ihr verklärter Blick gleich einer himmlischen Offenbarung sah? Was hatte er ihr dafür zu geben? Neue Enttäuschungen, neue Demütigungen, neuen Kummer.
    Der König fühlte selbst, er war kein Knabe, kein Jüngling mehr. Angesichts dieser Zelle, die ihm nichts bedeutete als ein offenes Grab, machte er sich's noch einmal klar, dass er niemals ein Weib geliebt, wie er diese sanfte Büßerin geliebt, dass er keines je lieben werde, wie er Louise von La Vallière geliebt, das Weib, das die Welt hätte regieren können und das nichts gewollt und nichts verlangt hatte als ihn zu lieben, von ihm geliebt zu sein.
    Aber er sagte sich auch, dass sie tot war, diese einzige Liebe — gestorben vielleicht mit seiner schwindenden Jugend — und dass nichts sie wieder zu erwecken vermochte. Warum also die einst Geliebte halten, die den himmlischen Frieden vor ihren verklärten Augen sah?
    „Sind Sie nun überzeugt, Sire, dass ich nicht dem Tod, dass ich einem neuen, dem wahren Leben entgegengehe?”, fragte eine sanfte Stimme neben ihm.
    Louise trat an den groben Holztisch zurück. Unter den Büchern der Heiligen Schrift zog sie einen Stoß eng beschriebener Blätter hervor.
    „Sire”, sagte sie und bot ihm die Blätter dar — „in diesem letzten Jahr meiner Vorbereitung auf das wahre Leben habe ich in diesen Blättern meine Gedanken über die Barmherzigkeit Gottes niedergelegt, ein Buch für all die Seelen, die ihren Weg zu Gott zurück finden. Im Kloster werde ich Muße haben, den Inhalt der Blätter noch einmal zu durchdenken.”
    Sie schlug eines der Blätter auf und las mit ihrer süßen Stimme:
    „Vor allem, Herr, sieh mich ohne Aufhören als Magdalena an, und gib, dass ich, wie diese heilige Büßerin, deine Füße mit meinen Tränen benetze, und dass, indem ich versuche, dich über alles zu lieben, es mir gelinge, die Zahl meiner Verbrechen zu tilgen.”
    Still legte sie die Blätter auf den Tisch zurück. Der König ergriff ihre Hand und drückte sie tief bewegt. Sie umschlang sie mit ihren Fingern.
    „Beten Sie mit mir, Sire”, bat sie, „auf dass unsere Herzen, die sich einst in sündiger Leidenschaft gehörten, sich in dieser letzten Stunde zu reiner Harmonie zusammenfinden! Lassen Sie mich die süße Erinnerung an ein paar Augenblicke sanfter, sündeloser Zärtlichkeit mit hinausnehmen in mein neues Leben.”
    Er antwortete nicht, er sprach nicht, er blickte sie nicht an. Er hatte seine Hand aus der ihren gelöst. Regungslos stand er gegen die weiß gekalkte Wand der Zelle gelehnt, die Augen mit den Händen bedeckt, seine heiß quellenden Tränen zu verbergen.
    Louise umschloss den gebrochenen Mann mit einem langen Blick verzehrender Liebe. Dann faltete sie die Hände, und ohne die Augen von ihm zu wenden, stieg aus ihrem Herzen ein heißes Gebet für sein Glück und seinen Ruhm, für das Glück und den Ruhm Frankreichs.
    Als sie geendet, blieb sie ein paar Augenblicke in tiefe Gedanken verloren stehen. Dann trat sie zu dem König und berührte sanft seinen Arm.
    „Es ist Zeit, Abschied zu nehmen, Sire. Ich lasse

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