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Die Geliebte des Trompeters

Titel: Die Geliebte des Trompeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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ertappt werden.
    Ertappt werden! Nur das nicht! Renate versuchte, möglichst flach zu atmen, als sie unter den Waggons hindurch Stiefel näher kommen sah. Dieses Knirschen und Quiemen des Schnees! Die Beine starben ihr ab, zwischen ihnen lag ihre Beute, ein halber Sack voll, nicht viel, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie den nach Hause bringen sollte. Irgendein Bauer mit einem Fuhrwerk würde sich erbarmen – sich sein Erbarmen aber bezahlen lassen, so oder so. Für alle Fälle hatte sie noch ein paar Silberlöffel dabei – Zigaretten wären besser gewesen. Irgendwo hinter ihr raschelte einer. Und dann donnerte es. Rumpelte. Ratterte gewaltig – ein Zug, ein richtiger, ordentlicher Personenzug. Renate wusste, dass damit die amerikanischen Truppen transportiert wurden: in Zügen, die nicht nur Abteilfenster hatten, sondern angeblich sogar geheizt wurden. Sie hätte zu gern einen Blick riskiert.
    |25| Immerhin entfernten sich jetzt die Stiefel; die Militärpolizei verordnete sich Winken und Grüßen, und diese wenigen Augenblicke genügten Renate und den anderen, um zu türmen. Schnell, bloß weg hier! Im Geratter des Zuges gingen leise Rufe und das Gepolter der Säcke unter. Sie zerrte ihre Beute mit sich fort. Und tatsächlich nahm sie ein Bauer mit bis Zehlendorf.
    Zurück auf dem verlassenen Bahngelände blieben die Körperabdrücke der Kohlesammler, ausgestreckte Körper, scheinbar ohne Arme, weil sie diese dicht am Körper gehalten hatten; Eiskäfer, flügellos und schmutzig. Immerhin: Für diesmal waren sie entkommen.
    Die Freude über die gelungene Aktion hielt nicht lange vor, denn ab Zehlendorf hieß es schleppen. An der Ecke Unter den Eichen wartete die Schwester, halb unter einem abgestorbenen Busch verborgen. Sie wartete schon lange, sie hatte sich nicht weggetraut, um Renate mit der Last keinesfalls zu verpassen. Es sah nicht so aus, als ob sie sich ohne weiteres bewegen könnte. Wie festgefroren. Renate zog sie hoch. Aber Riccardas Atem verriet einen weiteren Grund, neben der Kälte: Brandy. Ein äußerst kostbares Gut, für solche langwierigen Märsche wie diesen aufgehoben, als Kräftigung und gegen die Kälte. Riccarda hatte ihren geheimen Schatz dabei: Eine silberne, kugelförmige Flasche mit der Gravur
New York, 1939.
Eigentlich war es kein Silber, die Flasche war nur silberfarben.
    Die Kugel war eine Nachbildung des Wahrzeichens von der New Yorker Weltausstellung – eigentlich nur eine Hälfte des Wahrzeichens, denn zu dem berühmten Ensemble gehörte noch ein Obelisk – aber für Riccarda war dieses unechte Schmuckstück, dieses halbe Symbol des Fortschritts, ihr kostbarster Besitz. Das Geschenk eines Offiziers aus New Jersey, der die
World Exhibition
tatsächlich besucht hatte und der ihr |26| von Wunderdingen wie Rolltreppen und scheinbar stützenlosen Gebäuden berichtet hatte. Riccarda hielt diesen Besitz vor der Mutter geheim. Sie bewahrte ihn für sich und die Schwester auf. Sie sorgte dafür, dass sie immer genug Brandy hatten. Für Augenblicke wie diesen. Komm, trink!
    Renate grinste, sagte aber nichts. Eine Weile gingen sie eingehakt, trotz des Kohlesacks auf Renates Rücken. Der Kohlesack rutschte nach links, über Renates Schulter und plumpste zu Boden. Da lachten sie und stöhnten und luden ihn sich wieder auf. Mal nahm Riccarda den Sack, mal Renate. Mal nahm die eine einen Schluck, mal die andere. Nach zwei Stunden fing es wieder an zu schneien.
     
    Viermal waren sie kontrolliert worden – von Russen. Der Junge hatte noch nie in seinem Leben Russen gesehen. Eigentlich überhaupt keine Ausländer. Diese hier guckten feindselig, sie trugen seltsame graue Hosen und Blusen aus steifem Stoff. Sie redeten nur untereinander, verlangten aber unmissverständlich die Papiere, verzogen sich wieder und ließen den Zug passieren, unwillig, wie es schien. Waren das nicht ihre Verbündeten?, dachte der Junge. Und dachte zum ersten Mal: Wir sind im Krieg. Sie befanden sich in einer Art Krieg, auch wenn seit über einem Jahr Waffenstillstand herrschte. Dies hier war ein anderer, ein merkwürdiger Krieg. Eine komplizierte Sache mit mehr als nur einer Front.
    Dick zuckte mit den Achseln. Was konnte man machen? Sie starrten ratlos vor sich hin. Der Zug ratterte. Der Zug nahm Fahrt auf. Vom Zugdach rann geschmolzenes Eis, kleine Stücke trieben an den Fenstern entlang. Endlich kamen sie in Berlin an, aber sie sahen es nicht. Dunst hing über der Stadt, und Schneeflocken fielen wie Ascheregen. Und

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