Die Geliebte des Zeitreisenden
zusammen. Eine uralte Schriftrolle ragte aus den Scherben hervor. Er sprang hin und wollte das Papier unbedingt aus der schlammigen Erde ziehen, bevor die Feuchtigkeit es beschädigte.
Diese brüchige Antiquität hatte offenbar in erstaunlich gutem Zustand überlebt. Er balancierte die Taschenlampe zwischen Schulter und Kinn, entrollte seinen Fund, kniff die Augen zusammen und wünschte sich seine verlorene Brille zurück.
Marisa spähte über seinen Arm, ihre Reporterinnenneugier hatte sie gepackt. »Was ist das?«
Lucan starrte das Schriftstück an. Sein Puls raste vor Aufregung. Es handelte sich um eine astronomische Karte, welche die Sonne, die Erde und andere Planeten zeigte. Und viele Sterne. Aber was sein Herz in solche Aufregung versetzte, war eine Linie, die von der Erde zu einem Stern auf der anderen Seite der Galaxie gezogen war. In seinen Händen befand sich also eine uralte Himmelskarte. Sein Mund wurde trocken. »Das ist eine Sternenkarte.«
»Und was daran ist so außergewöhnlich? Selbst die ältesten Kulturen haben sich doch mit Astrologie beschäftigt.«
»Mit Astronomie«, berichtigte er sie sofort. »Ich bin zwar kein Astronom, aber diese Karte hier... wirkt einfach zu genau für die Zeit, aus der sie stammt. Du weißt schon: König Arthur. Das Zeitalter des Rittertums.«
»Ja, klar.«
Lucan war so verloren in seinen Gedanken, dass er Marisas Sarkasmus gar nicht bemerkte. »Auf dieser Karte befinden sich Einzelheiten, die nicht einmal das Hubble-Teleskop erkennen könnte ... und dabei ist sie schon Tausende von Jahren alt. Das ist doch unglaublich.«
»Handelt es sich vielleicht um eine Fälschung?«
»Zur Beantwortung dieser Frage werde ich einige Untersuchungen anstellen müssen...« Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die Karte weiter. Sein Blick bewegte sich zu den fernen Sternen und ihren Planeten. »Das darf doch nicht wahr sein!«
»Was ist denn jetzt los?«
Er deutete auf die Karte. »Dieser Mond hier trägt die Bezeichnung Pendragon.«
»War das nicht König Arthurs Nachname?«
Er nickte und kniff die Augen wieder zusammen. »Und genau unter dem Namen Pendragon steht das Wort Avalon.«
»Avalon? Hat das denn irgendeine Bedeutung?«
»Avalon war eine legendäre Insel und wurde von einer Druidenpriesterin beherrscht, die auch als Herrin vom See bekannt war«, antwortete Lucan. »Sie hat geholfen, Arthur auf den Thron zu setzen. Den Geschichten zufolge war Avalon auch der Ort, an dem König Arthur den Heiligen Gral zurückgelassen hat.«
»Den Heiligen Gral?« Ihre Stimme klang nun ungläubig.
»Die Kräfte dieses Kelches sind legendär. Wenn die Mythen stimmen, könnte er körperliche Gebrechen heilen - Krebs, Herzinfarkte und...« Er zögerte, bevor er das nächste Wort aussprach. »Unfruchtbarkeit.«
Obwohl weder Marisa noch ihr Mann offiziell als unfruchtbar galten, hatten sie bislang - wie der größte Bevölkerungsanteil der Erde - keine Kinder bekommen können. Marisas letzte Fehlgeburt war die zweite in ebenso vielen Jahren gewesen. Wenn der Kelch aber tatsächlich existierte und Lucan ihn fand, dann könnte seine Schwester - und mit ihr Hunderttausende anderer Frauen - endlich Kinder zur Welt bringen.
»Die Jahrhunderte hindurch haben viele Menschen - einschließlich König Arthurs Ritter der Tafelrunde - nach Avalon und dem Heiligen Gral gesucht. Geschichten über die legendären Heilkräfte des Grals gibt es in zahlreichen Kulturen, aber bisher hat ihn niemand gefunden.« Er zeigte ihr den kleinen Mond auf der alten Karte. »Vielleicht liegt das daran, dass sich Avalon gar nicht auf der Erde befindet.«
»Du hast scheinbar den Verstand verloren.« Marisa seufzte, aber irgendetwas in ihrer Stimme verriet deutlich ihren Wunsch, nach all der Zeit der Verzweiflung wieder hoffen zu dürfen.
»Die Suche nach dem Heiligen Gral könnte das Aufregendste sein, was ich in meinem Leben unternehme.«
»Sie könnte aber auch das Letzte sein. Ich war eigentlich der Meinung, du hättest deine Lektion auf der Suche nach den Altertümern von Preah Vihear gelernt.«
»Die goldene Statue des tanzenden Shiva, die ich in dem Khmer-Tempel gefunden habe, war es wert...«
»... in einem kambodschanischen Gefängnis zu landen?«
»Das war doch nur ein kleines Missverständnis, das wir schließlich ausbügeln konnten.«
Marisa murmelte einen Fluch. »Bist du dir ganz sicher, dass du nicht tief in deinem Inneren starke Sehnsucht nach dem Tod verspürst? Oder bist du bloß
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