Die Geliehene Zeit
Straße, bis mich ein schrecklicher Schrei vom Boden her in die Wirklichkeit zurückrief. Zu sehr in sein Vorhaben vertieft, um darauf zu achten, was über seinem Kopf vorging, stieß der Mann auf Mary gutturale Laute der Zufriedenheit aus. Dann begann er, seine Hüften rhythmisch zu bewegen, während Mary gellende Schreie ausstieß.
Instinktiv ging ich einen Schritt zurück, holte aus und trat ihn, so fest ich konnte, in die Rippen. Mit einem lauten Kuchen entwich die Luft aus seiner Lunge, und er rollte zur Seite.
Einer seiner Freunde stürzte auf ihn zu, packte ihn am Arm und rief: »Hoch mit dir! Sie ist La Damen Blanche ! Lauf!«
Immer noch in die Raserei der Vergewaltigung versunken, starrte der Mann blöde vor sich hin und wollte sich wieder Mary zuwenden, die verzweifelt versuchte, die Falten ihrer Röcke von dem Gewicht freizubekommen, das sie festhielt. Sowohl der im grünen Hemd als auch der im getupften Hemd zogen den Vergewaltiger an den Armen und brachten ihn endlich auf die Beine. Die Hose hing ihm in Fetzen herunter, während sein blutverschmiertes erigiertes Glied zwischen den Hemdschößen zitterte.
Das Geräusch von hastig näher kommenden Schritten brachte ihn endlich zur Besinnung. Seine beiden Helfer ergriffen die Flucht und überließen ihn seinem Schicksal. Mit einem leisen Fluch humpelte er in die nächstbeste Seitengasse und wäre dabei fast über seine Hose gestolpert, die er sich im Laufen hochzog.
» Au secours! Au secours! Gendarmes! « Ein atemloser Hilferuf schallte durch die Gasse; offenbar bahnte sich der Rufer durch den Unrat auf der Straße einen Weg in unsere Richtung. Es schien zwar unwahrscheinlich, daß ein weiterer Schurke oder Wegelagerer die Gasse herunterstolperte und dabei nach der Gendarmerie rief, aber da ich nach wie vor unter Schock stand, hätte mich auch das nicht verwundert.
Doch als ich in der dunklen Gestalt, die aus der Gasse stürmte, den mit schwarzem Umhang und Schlapphut bekleideten Alexander
Randall erkannte, war ich tatsächlich erstaunt. Er blickte vierstört auf den als Müllsack getarnten Murtagh, auf mich, die ich erstarrt und nach Luft ringend an der Wand lehnte, und auf die zusammengekauerte Mary, die im Schatten fast unsichtbar war. Kurze Zeit stand er ratlos da, dann wirbelte er herum und kletterte an dem schmiedeeisernen Tor empor, aus dem die Angreifer gekommen waren. Er griff nach der Laterne, die über dem Tor an einem Balken baumelte.
Das Licht war tröstlich. Auch wenn sich in seinem Schein ein jammervoller Anblick bot, bannte es zumindest die lauernden Schatten.
Marv lag zusammengekauert auf den Knien, barg den Kopf in den Armen und zitterte heftig, ohne einen Laut von sich zu geben. Ein Schuh, dessen Silberschnalle im schwankenden Licht der Laterne glitzerte, lag auf dem Pflaster.
Wie ein unheilverkündender Vogel stürzte Alex auf sie zu und kniete sich neben sie.
»Miss Hawkins! Mary! Miss Hawkins! Ist alles in Ordnung?«
»Eine verdammt dumme Frage«, bemerkte ich ziemlich schroff, als sie stöhnte und vor ihm zurückwich. »Offensichtlich ist nichts in Ordnung. Sie ist gerade vergewaltigt worden.« Mit einiger Anstrengung löste ich mich von der tröstlichen Wand und ging auf die beiden zu, wobei ich unbeteiligt registrierte, daß mir die Knie zitterten.
Sie versagten völlig ihren Dienst, als eine riesige, fledermausartige Gestalt vor meiner Nase herabsauste und mit einem dumpfen Schlag auf dem Pflaster landete.
»Ach, wer kommt denn da?« rief ich und fing völlig entnervt zu lachen an. Große Hände nahmen mich an den Schultern und schüttelten mich durch.
»Sei still, Sassenach«, sagte Jamie, dessen blaue Augen im Schein der Laterne dunkel und gefährlich blitzten. Er richtete sich auf. Als er seine Arme zu dem Dach ausstreckte, von dem er gerade gesprungen war, fielen die Falten seines blauen Samtumhangs über seine Schultern zurück. Auf Zehenspitzen stehend, erreichte er gerade den Rand des Dachs.
»Na, dann komm mal runter!« rief er ungeduldig und blickte auf. »Stell die Füße auf meine Schultern, dann kannst du über meinen Rücken auf den Boden rutschen.« Lose Dachziegel knirschten, als
eine kleine dunkle Gestalt sich nach vorn schob und dann über Jamies breiten Rücken herunterglitt wie ein Affe an der Stange.
»Gut gemacht, Fergus.« Jamie klopfte dem Jungen auf die Schultern, und selbst in dem schummrigen Licht sah ich, wie dessen Wangen vor Freude glühten. Mit dem geübten Blick des Strategen erfaßte
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