Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
lange gedauert, bis alle versorgt waren.«
    »Oh, aye«, antwortete Murtagh lakonisch. Er wandte sich an Fergus. »Wir sollten versuchen, eine Kutsche aufzutreiben, Junge; in der Dunkelheit können die Damen nicht zu Fuß gehen.«
    »Hier gibt es keine«, meinte Fergus achselzuckend. »Ich bin in der letzten Stunde immer wieder die Straße auf- und abgelaufen; alle freien Kutschen der Stadt sind zum Zeughaus gefahren. Aber vielleicht bekommen wir eine in der Rue du Faubourg-St.-Honoré.« Er deutete auf eine schmale dunkle Passage. »Das ist eine Abkürzung.«
    Nach kurzem Bedenken nickte Murtagh zustimmend. »In Ordnung, Junge. Gehen wir.«
    Auf der Gasse war es kalt; obwohl Neumond war, sah ich die weißen Wölkchen meines Atems. In Paris gab es auch in der dunkelsten Nacht immer irgendwelche Lichtquellen: Lampen- und Kerzenschein drang durch die Fensterläden und Ritzen der Holzhäuser; die Buden der Straßenhändler waren beleuchtet, und an Kutschen und Lastkarren baumelten kleine Horn- und Metallaternen.
    In der nächsten Straße gab es viele Geschäfte; hier und da hatten die Kaufleute Laternen aus durchbrochenem Metall über ihren Türen oder dem Ladeneingang aufgehängt. Man verließ sich nicht darauf, daß die Polizei das Eigentum der Bürger schützte; oft taten sich mehrere Kaufleute zusammen und stellten einen Nachtwächter ein, der ihre Geschäfte bewachte. Vor dem Laden eines Segelmachers sah ich einen solchen Mann, der im Schatten auf einem Stapel gefalteten Segeltuchs kauerte, und erwiderte sein schroffes » Bonsoir , Monsieur, Mesdames« mit einem Nicken.
    Als wir an dem Geschäft vorbeigingen, hörte ich den Nachtwächter jedoch plötzlich rufen.
    »Monsieur! Madame!«
    Murtagh wirbelte herum, um den Angriff abzuwehren, und hatte
auch schon das Schwert gezogen. Als er vortrat, bemerkte ich eine Bewegung im Eingang hinter ihm. Bevor ich ihn warnen konnte, traf Murtagh ein Schlag von hinten, und er fiel mit dem Gesicht nach unten auf die Straße. Schlaff und kraftlos lag er da. Schwert und Dolch waren ihm aus der Hand geflogen und fielen scheppernd aufs Pflaster.
    Ich bückte mich rasch nach dem Dolch, der an meinem Fuß vorbeischlitterte, wurde jedoch von hinten gepackt.
    Kümmere dich um den Mann«, befahl eine Stimme hinter mir. »Schnell!«
    Ich wand mich im Griff des Angreifers, aber seine Hände glitten zu meinen Handgelenken und verdrehten sie so brutal, daß ich laut aufschrie. Etwas Weißes blähte sich gespenstisch auf, und der »Nachtwächter«, der ein Stück weißen Stoff hinter sich herschleifte, beugte sich über den bewußtlosen Murtagh.
    »Hilfe!« schrie ich. »Laßt ihn! Hilfe! Räuber! Mörder! HILFE!«
    »Sei ruhig!« Ein harter Schlag traf mich am Ohr, so daß mir schwindlig wurde. Als meine Augen aufhörten zu tränen, erkannte ich ein längliches, weißes Bündel in der Gosse; Murtagh lag fein säuberlich verpackt in einem Segeltuchsack. Der falsche Nachtwächter beugte sich über ihn. Dann stand er grinsend auf, und ich bemerkte, daß er sein Gesicht von der Stirn bis zur Oberlippe hinter einer dunklen Maske verborgen hatte.
    Im schwächlichen Lichtstrahl, der aus dem benachbarten Kerzengießerladen fiel, sah ich, daß er trotz der kalten Nacht nur ein Hemd anhatte, das smaragdgrün schimmerte. Dazu trug er eine Kniehose und überraschenderweise Seidenstrümpfe und Lederschuhe, und nicht etwa Holzpantinen an bloßen Füßen, wie ich es erwartet hatte. Offenbar waren es keine gewöhnlichen Banditen.
    Rasch warf ich einen Blick auf Mary neben mir. Einer der Maskierten hielt sie von hinten fest, ein Arm umklammerte ihre Taille, der andere fuhr unter ihre Röcke wie ein Tier, das sich verkriecht.
    Der Mann, der vor mir stand, nahm mich geradezu einschmeichelnd am Hinterkopf und zog mich an sich. Die Maske bedeckte nur seine obere Gesichtshälfte und ließ aus leicht erkennbaren Gründen seinen Mund frei. Seine Zunge drängte sich zwischen meine Lippen; sie schmeckte nach Alkohol und Zwiebeln. Ich würgte, biß zu und spuckte aus, als der Bandit von mir abließ. Er ohrfeigte mich und zwang mich in der Gosse auf die Knie.

    Mary verfehlte um ein Haar meine Nase, als sie nach dem Grobian trat, der ihr unsanft den Rock hochzog. Man hörte Satin reißen und einen Schrei, als sich seine Finger zwischen ihre Schenkel gruben.
    »Eine Jungfrau! Ich habe eine Jungfrau!« frohlockte er. Einer der Männer verbeugte sich höhnisch vor Mary.
    »Mademoiselle, herzlichen Glückwunsch! Ihr Mann

Weitere Kostenlose Bücher