Die Geliehene Zeit
eingenistet.
Wir ließen die Pferde mit Fußfesseln auf der Wiese zurück und kletterten zu einer breiten Felsspalte direkt unterhalb der höchsten Erhebung hinauf. Auf dem Kalksteinboden wuchs hie und da rauhes Gras, und die wenigen Büsche spendeten kaum Schatten, aber wenigstens wehte hier oben eine kühle Brise.
»Mein Gott, ist das heiß«, stöhnte Jamie. Er löste die Schnalle seines Kilts, der zu Boden fiel, und schlüpfte aus seinem Hemd.
»Was machst du da, Jamie?« fragte ich schmunzelnd.
»Ich zieh’ mich aus«, erklärte er sachlich. »Warum tust du das nicht auch, Sassenach? Du bist noch verschwitzter als ich, und hier sieht uns keiner.«
Nach kurzem Zögern folgte ich seinem Vorschlag. Hier herrschte vollkommene Einsamkeit. Selbst für Schafe war die Gegend zu karg und zu felsig, also war es unwahrscheinlich, daß sich ein Schäfer hierher verirrte. Und allein, nackt in der Wildnis, weit weg von Louise und ihren Heerscharen aufdringlicher Dienstboten... Jamie breitete seinen Plaid auf dem Boden aus, während ich mich meiner schweißnassen Kleider entledigte.
Er streckte sich faul auf dem Boden aus, die Arme unter dem Kopf verschränkt: weder neugierige Ameisen noch vereinzelte Kieselsteine schienen ihn zu stören.
»Du mußt ein Fell wie eine Ziege haben«, bemerkte ich. »Wie kannst du so auf der nackten Erde liegen?« Hüllenlos wie er machte ich es mir auf dem Plaid bequem, das er mir fürsorglich überlassen hatte.
Jamie zuckte die Achseln. Das Licht hüllte seinen Körper ein, der in der Mulde aus dem dunklem, rauhem Gras rotgolden leuchtete.
»Mir ist’s recht so«, meinte er. Dann sagte er nichts mehr, aber er war mir so nah, daß ich seinen Atem hören konnte, obwohl der Wind leise heulend über die Felsen strich.
Ich rollte mich auf den Bauch, bettete das Kinn auf meine verschränkten Arme und betrachtete ihn. Er hatte breite Schultern und schmale Hüften; die kräftigen Gesäßmuskeln zeichneten sich auch
in dieser entspannten Lage unter seiner Haut ab. Die warme Brise trocknete die weichen zimtfarbenen Haare unter seinen Achseln und zerzauste die kupferroten Haare, die ihm über die gekreuzten Handgelenke fielen. Der leichte Wind war mir willkommen, denn die Herbstsonne brannte heiß auf meine Schultern und Waden.
»Ich liebe dich«, sagte ich ganz leise, damit er es nicht hörte, einfach aus Freude daran, es zu sagen.
Aber er hörte es trotzdem, denn die Andeutung eines Lächelns spielte um seinen breiten Mund. Nach einer Weile rollte er sich auf das Plaid neben mir in die Bauchlage. Ein paar Grashalme klebten ihm am Rücken und am Po. Behutsam streifte ich einen davon ab, und Jamies Haut schauderte unter meinen Fingern.
Ich beugte mich über ihn, um seine Schulter zu küssen und den warmen Duft und den leichten salzigen Geschmack seiner Haut zu genießen.
Doch statt meinen Kuß zu erwidern, rückte er ein wenig ab, stützte den Kopf auf den Ellbogen und sah mich an. In seinem Gesichtsausdruck sah ich etwas, was ich nicht verstand. Mir wurde ein wenig unbehaglich zumute.
»Ich wüßte zu gern, was in deinem Kopf vorgeht«, sagte ich und ließ meinen Finger über die Krümmung seiner Wirbelsäule gleiten. Er rückte noch ein Stück ab, bis er außer Reichweite war, und holte tief Luft.
»Ich habe mich gefragt...«, begann er, dann hielt er inne. Er senkte den Blick und spielte mit einer kleinen Blume, die im Gras wuchs.
»Was hast du dich gefragt?«
»Wie es war... mit Louis.«
Einen Augenblick lang dachte ich, mein Herz bliebe stehen. Mühsam rang ich mir eine Antwort ab.
»Wie... es... war?«
Da blickte er auf und brachte sogar halbwegs ein schiefes Lächeln zustande.
»Na ja«, meinte er. »Schließlich ist er der König. Man möchte meinen, daß es irgendwie... anders ist. Weißt du... vielleicht etwas Besonderes?«
Sein Lächeln erstarb, und sein Gesicht war nun ebenso bleich wie meines. Er sah nach unten, um meinem verzweifelten Blick auszuweichen.
»Ich glaube, ich habe mich einfach gefragt«, murmelte er, »ob er... ob er... ob er anders war als ich.« Er biß sich auf die Lippen, als wollte er die Worte ungesagt machen, aber dafür war es zu spät.
»Woher weißt du es, verdammt noch mal?« Mir war schwindelig, und ich fühlte mich bloßgestellt. Ich drehte mich auf den Bauch und drückte mich fest auf das struppige Gras.
Er schüttelte den Kopf und biß sich auf die Unterlippe. Als er endlich losließ, blieben tiefe rote Druckstellen
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