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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wurden in der Tat erwartet; die mit Äxten bewaffneten Wachen am Tor ließen uns passieren. Sie sahen uns zwar neugierig, jedoch nicht feindselig an. Jamie saß aufrecht wie ein König im Sattel. Er nickte der Wache zu, die den Gruß erwiderte. Ich hatte das Gefühl, als beträten wir die Burg mit einer weißen Fahne in der Hand; wie lange der Frieden halten würde, wußte niemand.
    So ritten wir unbehelligt in den Hof von Burg Beaufort, einer aus dem Naturstein der Region erbauten Burg von bescheidenen Ausmaßen, dennoch aber eindrucksvoll; nicht so stark befestigt wie einige der Burgen, die ich im Süden gesehen hatte, aber eine trutzige Festung mit Schießscharten entlang der äußeren Festungsmauer, mit einem Bergfried und Stallungen zum Hof hin.
    Einige kleine Hochlandponys waren darin untergebracht, und sie streckten die Köpfe über das hölzerne Gatter wie zum Willkommensgruß. Nahe der Mauer lagen zahlreiche Bündel, offenbar Lasten, die man den Ponys im Stall abgenommen hatte.

    »Lovat hat ein paar Leute zu unserer Begrüßung kommen lassen«, meinte Jamie, als er die Bündel sah. »Verwandte, wie ich vermute.« Er zuckte die Schultern.«Jedenfalls werden sie uns erst einmal freundlich aufnehmen.«
    »Woher weißt du das?«
    Er stieg vom Pferd und reichte mir die Hand, damit auch ich absteigen konnte.
    »Sie haben die Breitschwerter bei ihrem Gepäck gelassen.«
    Jamie reichte die Zügel seines Pferds einem Knecht, der uns aus dem Stall entgegenkam und sich die Hände an der Hose abwischte.
    »Was nun?« murmelte ich Jamie zu. Ein Kastellan oder ein Majordomus war nirgends in Sicht und auch keine fröhliche, respektgebietende Gestalt wie Mrs. Fitz Gibbons, die uns zwei Jahre zuvor auf Burg Leoch willkommen geheißen hatte.
    Die Stallburschen und Pferdeknechte warfen uns ab und zu einen flüchtigen Blick zu, doch sie fuhren mit ihrer Arbeit fort, ebenso die Dienstboten, die über den Hof kamen, Körbe mit Wäsche trugen, Torfballen und anderes, was zum Leben auf einer Burg benötigt wurde. Ich sah einem stämmigen Diener nach, der unter der Last zweier schwerer, wassergefüllter Kupferkannen stöhnte. Obwohl die Gastfreundschaft hier einiges zu wünschen übrigließ, besaß Burg Beaufort doch immerhin irgendwo eine Badewanne.
    Jamie stand mitten im Hof, die Arme verschränkt, und blickte sich um wie ein potentieller Grundstückskäufer.
    »Wir warten einfach, Sassenach«, sagte Jamie. »Die Wachen werden schon Bescheid sagen, daß wir da sind. Entweder kommt jemand runter zu uns... oder nicht.«
    »Hm«, sagte ich. »Na ja, ich hoffe, sie entschließen sich bald; ich bin hungrig, und waschen würde ich mich auch gerne.«
    »Aye, das hättest du nötig.« Jamie nickte und lächelte, als er mich ansah. »Deine Nase ist schmutzig, und in deinem Haar sind Kletten. Nein, laß nur«, fügte er hinzu, als ich mir bestürzt ins Haar griff. »Es sieht hübsch aus, als ob du es absichtlich gemacht hättest.«
    Natürlich war es keine Absicht, aber ich ließ sie im Haar. Ich ging zu einem Wassertrog in der Nähe, um mein Äußeres zu begutachten und in Ordnung zu bringen, soweit das mit kaltem Wasser möglich war.
    Es war schon eine prekäre Situation, dachte ich, während ich
mich über den Trog beugte und die Schmutzflecken in meinem Spiegelbild im Wasser zu erkennen suchte.
    Einerseits war Jamie der offizielle Abgesandte der Stuarts. Egal, ob Lovats Versprechen, deren Sache zu unterstützen, ernst gemeint oder ein bloßes Lippenbekenntnis war - er würde sich wahrscheinlich verpflichtet fühlen, den Abgesandten des Prinzen höflich zu empfangen.
    Andererseits war dieser Gesandte sein Enkel, der Sohn seines unehelichen Sohnes. Und wenn Jamie auch nicht direkt verleugnet wurde, so zählte er doch gewiß nicht zum engsten Familienkreis. Ich wußte inzwischen genug über die Fehden im Hochland, um mir darüber im klaren zu sein, daß Verstimmungen dieser Art nicht einfach verschwanden.
    Ich wischte mir mit der feuchten Hand über die Augen, über die Schläfen und durchs Haar. Lord Lovat würde uns wohl nicht einfach im Hof stehenlassen. Doch konnte es sehr wohl sein, daß er uns so lange warten ließ, bis wir uns der Zwiespältigkeit unseres Besuchs bewußt wurden.
    Und dann - ja, wer konnte das wissen? Wahrscheinlich würde uns Lady Frances, eine von Jamies Tanten, willkommen heißen, eine Witwe, die nach allem, was wir von Tullibardine gehört hatten, ihrem Vater den Haushalt führte. Oder, falls er uns als

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