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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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diplomatische Abordnung und nicht als Verwandte empfangen wollte, würde uns wohl Lord Lovat selbst begrüßen, mit seiner ganzen Entourage aus Sekretären, Wachen und Dienstboten.
    Da wir nun schon so lange warten mußten, rechnete ich eher mit letzterem. Denn das Gefolge steht ja nicht jederzeit in hochoffizieller Aufmachung bereit - es würde einige Zeit dauern, bis alle versammelt waren. Angesichts der Vorstellung, einem Grafen mit seinem Gefolge gegenübertreten zu müssen, erschienen mir Kletten im Haar nicht sehr passend, und ich beugte mich erneut über den Trog.
    In diesem Augenblick hörte ich Schritte hinter der Futterkrippe. Ein untersetzter älterer Mann mit offenem Hemd und Kniehose betrat den Burghof und stieß eine braune Stute mit dem Ellbogen beiseite. Trotz seines Alters ging er aufrecht; seine Schultern waren beinahe so breit wie die Jamies.
    Er blieb am Pferdetrog stehen und sah sich im Hof um, als suchte er jemanden. Als sein Blick auf mich fiel, stutzte er. Er tat einen
Schritt auf mich zu und streckte den Kopf vor, wobei sein grauer Stoppelbart zur Geltung kam, der wie die Borsten eines Stachelschweins nach allen Seiten abstand.
    »Wer zum Teufel sind Sie?« rief er unwirsch.
    »Claire Fräser... ich meine, Herrin von Broch Tuarach«, erwiderte ich irritiert. Erst allmählich gewann ich die Fassung wieder und wischte mir einen Tropfen Wasser vom Kinn. »Und wer zum Teufel sind Sie?«
    Eine Hand faßte mich am Ellbogen, und ich hörte eine ergebene Stimme sagen: »Das, Sassenach, ist mein Großvater. Mylord, darf ich Ihnen meine Gemahlin vorstellen?«
     
    »Ach?« sagte Lord Lovat und musterte mich aus kalten blauen Augen. »Ich habe gehört, daß du eine Engländerin geheiratet hast.« Der Tonfall machte deutlich, daß dies seine schlimmsten Vermutungen über seinen Enkel bestätigte.
    Er runzelte die Stirn und sah Jamie dann mit bohrendem Blick an. »Du scheinst auch nicht mehr Verstand zu besitzen als dein Vater.«
    Jamies Hand zuckte, er hätte sie am liebsten zur Faust geballt.
    »Ich hatte es jedenfalls nicht nötig, mir durch Vergewaltigung oder andere üble Tricks eine Frau zu beschaffen«, erwiderte er gelassen.
    Jamies Großvater murmelte etwas, doch die Beleidigung ließ ihn offenbar kalt. Fast kam es mir so vor, als zuckten seine Mundwinkel.
    »Aye, und du hast dabei kein gutes Geschäft gemacht«, gab er zurück. »Wenigstens scheint die hier so teuer wie die MacKenzie-Hure, auf die Brian hereingefallen ist. Wenn dir diese sassenach schon nichts einbringt, so sieht sie wenigstens so aus, als ob sie dich wenig kostet.« Seine schräggestellten blauen Augen, Jamies Augen, glitten über mein schmutziges Reisekleid mit dem herabhängenden Saum und den Schlammspritzern.
    Jamie zitterte leicht, aber ich war nicht sicher, ob aus Wut oder weil ihm nach Lachen zumute war.
    »Danke«, sagte ich und lächelte Seine Lordschaft freundlich an. »Ich esse auch nicht viel. Aber ich würde mich jetzt gerne waschen. Wasser genügt; Seife ist gar nicht nötig, wenn es zu teuer kommt.«
    Diesmal war ich mir sicher, daß Lord Lovat in sich hineingrinste.
    »Aye, ich verstehe«, nickte er. »Ich schicke gleich eine Magd, die euch eure Zimmer zeigt. Und selbstverständlich bekommen Sie Seife.
Wir sehen dich dann vor dem Abendessen in der Bibliothek... Enkel«, fügte er zu Jamie gewandt hinzu. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand.
    »Wer ist wir?« fragte ich.
    »Der junge Simon vermutlich«, erwiderte Jamie. »Der Erbe Seiner Lordschaft. Dazu noch ein paar weitläufige Verwandte und Clansmänner, nach den Pferden zu urteilen, die im Hof stehen. Falls Lovat sich entschließen sollte, Truppen zu den Stuarts zu schicken, dann haben seine Leute auch ein Wörtchen mitzureden.«
     
    »Hast du jemals einen Wurm im Hühnerhof gesehen?« murmelte er, während wir eine Stunde später einem Dienstboten durch den Korridor folgten. »Das bin ich - oder wir, würde ich sagen. Weiche nicht von meiner Seite.«
    In der Tat, die ganze Verwandtschaft des Fraser-Clans war versammelt; als wir die Bibliothek betraten, saßen über zwanzig Männer darin und warteten.
    Jamie wurde offiziell vorgestellt, und er gab eine offizielle Erklärung im Namen der Stuarts ab. Er übermittelte Lord Lovat die Grüße von Prinz Charles und König James und bat um Lovats Hilfe. Daraufhin hielt der Alte eine kurze, rhetorisch gewandte, jedoch unverbindliche Ansprache. Nachdem dies erledigt war, mußte ich vortreten und wurde

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