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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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»Angst hatte ich aber schon.«
    Ich legte meine Hand auf seine und streichelte die Vertiefungen zwischen seinen Knöcheln.
    »Hat er dich auch angesehen?«
    Er schnaubte verächtlich.
    »Aye. Ich vermute, er hat von dem Augenblick an, als ich den Hügel hinunterkam, bis zu dem Moment, wo mein Schiff abfuhr, den Blick nicht von mir gewandt. Ich habe gespürt, wie sich seine Augen in meinen Rücken bohrten. Und als ich ihn ansah, da erwiderte er meinen Blick, und seine schwarzen Augen blitzten.«
    Er schwieg, den Blick starr auf die Burg gerichtet, bis ich weiterfragte.
    »Wie hat er dich denn angesehen?«
    Da wandte er sich mir zu, ernst, wie ich es von ihm nicht gewohnt war.
    »Sein Blick war kalt wie Stein, Sassenach«, antwortete er. »Kalt wie Stein.«

     
    Wir hatten Glück mit dem Wetter. Seit unserem Aufbruch von Edinburgh war es warm gewesen.
    »Das wird sich bald ändern«, prophezeite Jamie mit einem forschenden Blick aufs Meer. »Siehst du die Wolkenbank dort? Bis heute abend ist sie landeinwärts gezogen.« Er schnupperte und zog sich das Plaid enger um die Schultern. »Riechst du es? Man kann riechen, welches Wetter kommt.«
    Ich hatte zwar wenig Erfahrung als Wetterfrosch, schnupperte aber gehorsam. Die Luftfeuchtigkeit verstärkte den Duft nach trokkenem Heidekraut und Kiefernharz, in den sich ein schwacher Geruch nach Meerestang mischte.
    »Ob die Männer schon in Lallybroch sind?« fragte ich.
    »Das möchte ich bezweifeln.« Jamie schüttelte den Kopf. »Sie haben zwar einen kürzeren Weg als wir, aber sie sind zu Fuß unterwegs, und in der Gruppe geht es noch langsamer.« Er erhob sich in seinen Steigbügeln und beschattete die Augen mit der Hand. »Hoffentlich ist es nur Regen; das ist nicht so schlimm. Vielleicht zieht das Unwetteer auch nicht so weit nach Süden.«
    Ich vergrub mich tiefer in meinen warmen Tartanschal, denn plötzlich kam ein frischer Wind auf. Ich hatte den Sonnenschein der letzten beiden Tage als gutes Vorzeichen gewertet. Hoffentlich trog es nicht.
    Jamie hatte eine ganze Nacht in Holyrood am Fenster gesessen, nachdem er den Befehl des Prinzen erhalten hatte. Am nächsten Morgen war er zu Charles gegangen, um ihm zu sagen, daß er nur mit mir und Murtagh nach Beauly reiten wolle, um Lord Lovat die Grüße Seiner Hoheit zu übermitteln und ihn zu bitten, Männer und Hilfsgüter zur Verfügung zu stellen.
    Dann hatte Jamie Ross, den Schmied, in unser Gemach gebeten und ihm seine Befehle erteilt - er sprach so leise, daß nicht einmal ich von meinem Platz neben dem Feuer aus es verstehen konnte.
    Die Hochlandarmee marschierte ziemlich undiszipliniert, in einem bunten Haufen, der die Bezeichnung »Kolonne« kaum verdiente. Im Laufe des ersten Marschtages sollten sich die Männer von Lallybroch heimlich davonstehlen. Einer nach dem anderen sollte in den Büschen verschwinden, vorgeblich, um einen Augenblick zu rasten oder sich zu erleichtern, doch sie sollten nicht zur Truppe zurückkehren, sondern das Weite suchen. Dann sollten sie sich an einem verabredeten Treffpunkt zu den anderen Männern
von Lallybroch gesellen und unter der Führung von Ross, dem Schmied, nach Hause zurückkehren.
    »Ich bezweifle, daß es überhaupt auffällt«, hatte Jamie gesagt, als er den Plan mit mir besprach. »Desertieren ist gang und gäbe, in der ganzen Armee. Ewan Cameron sagte mir, daß sich in der letzten Woche zwanzig seiner Männer aus dem Staub gemacht haben. Es ist Winter, und die Männer wollen nach Hause und die Vorbereitungen für die Frühjahrssaat treffen. Auf jeden Fall bin ich sicher, daß sie niemanden entbehren können, der Deserteure sucht. Auch wenn sie merken sollten, daß sie nicht mehr da sind.«
    »Dann gibst du also auf, Jamie?« hatte ich ihn gefragt und meine Hand auf seinen Arm gelegt. Er hatte sich müde und erschöpft übers Gesicht gestrichen, ehe er antwortete.
    »Ich weiß nicht, Sassenach. Es mag zu spät sein; oder auch nicht. Ich weiß nicht. Es war eine Dummheit, so kurz vor dem Winter so weit nach Süden zu ziehen; und es war eine noch größere Dummheit, Zeit mit der Belagerung von Stirling zu verschwenden. Aber Charles hat noch keine Niederlage einstecken müssen, und die Clanführer - einige von ihnen - kommen seinem Aufruf nach. Jetzr die MacKenzies und nach ihnen andere. Charles hat zur Zeit doppelt so viele Männer hinter sich wie in Prestonpans. Worauf wird das hinauslaufen?« Er hob hilflos die Arme.
    »Ich weiß nicht. Es gibt keinen Widerstand. Die

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