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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wenn doch, dann trugen sie kein dünnes Kleid und Halbschuhe«, erklärte ich. »Angefangen vom Dragonerhauptmann wußte jeder, der mir begegnete, daß mit mir etwas nicht stimmte - aber sie wußten nicht, was. Wie sollten sie auch? Ich konnte es damals nicht besser erklären als heute - und die Irrenanstalten waren damals noch weitaus ungemütlicher. Kein Korbflechten«, fügte ich hinzu, um einen Scherz bemüht. Besonderen
Erfolg erntete ich damit nicht. Brianna zog eine Grimasse, und die Besorgnis stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Dieser Dragoner«, fuhr ich fort, während mir bei der Erinnerung an Jonathan Wolverton Randall, Hauptmann des Achten Dragonerregiments Seiner Majestät, ein Schauer über den Rücken lief. »Zuerst glaubte ich zu träumen, weil er Frank so ähnlich sah; ich dachte, er wäre es.« Mein Blick fiel auf den Tisch, wo eines von Franks Büchern mit der Rückseite nach oben lag, so daß man sein Foto mit dem dunklen, attraktiven Gesicht sah.
    »Das war sicher ein Zufall«, meinte Roger, der mich aufmerksam musterte.
    »Ja und nein«, erwiderte ich, während ich meinen Blick widerstrebend von dem Bücherstapel abwandte. »Sie wissen ja, daß er einer von Franks Vorfahren war. Und die Männer dieser Familie sind sich alle sehr ähnlich - zumindest körperlich«, fügte ich hinzu, weil ich an die großen Unterschiede in anderen Bereichen dachte.
    »Was war er für ein Mensch?« Brianna schien zumindest ansatzweise aus ihrer Erstarrung zu erwachen.
    »Er war ein Widerling und ein Sadist«, erklärte ich. Verblüfft blickten sich die beiden an.
    »Schaut nicht so«, fuhr ich fort. »Im achtzehnten Jahrhundert gab es auch schon Perverse; das ist keine Erfindung unserer Zeit. Vielleicht war es damals sogar schlimmer, weil sich niemand darum scherte, solange der Anstand nach außen hin gewahrt wurde. Und Jonathan Randall war Soldat, Hauptmann einer Garnison im Hochland, die die Clans in Schach halten sollte - und so hatte er genügend Spielraum für seine Aktivitäten, ja, sogar offizielle Sanktionierung.« Um mich zu stärken, nahm ich einen Schluck aus dem Whiskyglas, das ich in der Hand hielt.
    »Er hat Menschen gequält«, ergänzte ich. »Und er hatte seinen Spaß daran.«
    »Hat er... hat er Sie auch gequält?« Roger stellte diese Frage mit äußerster Behutsamkeit und erst nach längerem Zögern. Brianna hingegen schien sich in sich selbst zurückzuziehen.
    »Nicht direkt. Oder zumindest nicht sehr.« Ich schüttelte den Kopf. In meinem Magen gefror eine Stelle zu Eis, gegen die auch der Whisky nicht ankam. Hier hatte mich ein Schlag von Jack Randall getroffen, und plötzlich kehrte der Schmerz mit seiner ganzen Wucht zurück.

    »Er hatte ausgesprochen seltsame Vorlieben. Aber es war Jamie, den er... haben wollte.« Um nichts in der Welt hätte ich das Wort »liebte« über die Lippen gebracht. Mein Hals war wie ausgetrocknet, und ich schluckte den letzten Rest des Whiskys herunter. Roger hob fragend die Karaffe hoch, und mit einem Nicken hielt ich ihm mein Glas entgegen.
    »Jamie? Ist das Jamie Fraser? Und das war...«
    »Er war mein Mann«, bestätigte ich.
    Brianna schüttelte den Kopf so heftig wie ein Pferd, das Fliegen verscheucht.
    »Aber du hattest doch schon einen Mann«, wandte sie ein. »Du konntest doch nicht... selbst wenn... ich meine... das durftest du nicht!«
    »Ich mußte«, entgegnete ich. »Schließlich habe ich es nicht mit Absicht getan.«
    »Mutter, man heiratet nicht aus Versehen!« Brianna hatte jetzt die freundliche Krankenschwesterhaltung abgelegt. Ich hielt das für ein gutes Zeichen, obwohl wahrscheinlich Wut an deren Stelle trat.
    »Nun, aus Versehen geschah es nicht gerade«, erklärte ich. »Aber da die Alternative darin bestand, Jonathan Randall ausgeliefert zu werden, war die Ehe mit Jamie das kleinere Übel. Er hat mich zu meinem Schutz geheiratet - und das war verdammt großzügig von ihm.« Scharf fixierte ich Brianna über mein Glas hinweg. »Er hätte es nicht tun müssen.«
    Plötzlich überwältigte mich die Erinnerung an unsere Hochzeitsnacht. Er hatte noch nie mit einer Frau geschlafen, und seine Hände zitterten, als er mich berührte. Auch ich hatte Angst - und die war begründeter als seine. Doch als er mich im Morgengrauen umarmte und ich seine warme Brust an meinem Rücken spürte und seine Oberschenkel mich umschlangen, hatte er geflüstert: »Fürchte dich nicht. Wir sind jetzt zu zweit.«
    »Verstehen Sie«, sagte ich zu Roger.

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