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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ist, die Dinge nüchtern zu sehen. Noch glaubte er mir nicht, aber er besaß die Vorstellungskraft, es in Erwägung zu ziehen.
    »1743«, sagte er, als dächte er laut nach. Staunend schüttelte er den Kopf. »Und ich habe gedacht, Sie hätten hier 1945 einen Mann kennengelernt. Nie wäre ich auf die Idee gekommen... aber wer wäre das schon?«
    Ich war überrascht. »Sie wußten davon? Von Briannas Vater?«
    Er nickte und wies auf die Zeitungsausschnitte, die Brianna in der Hand hielt. Sie hatte noch keinen Blick darauf geworfen, sondern starrte Roger mit einer Mischung aus Erstaunen und Wut an. In ihr braute sich etwas zusammen. Roger, der dies ebenfalls spürte, wandte seinen Blick schnell von ihr ab.
    »Dann haben Sie die Männer, die auf der Liste stehen und in Culloden gekämpft haben, also gekannt?« fragte er.

    Es gelang mir, mich etwas zu entspannen. »Ja, ich habe sie gekannt.« Da grollte ein Donner, und plötzlich prasselten Regentropfen gegen die hohen Fenster. Brianna hatte den Kopf über die Zeitungsausschnitte gebeugt, und unter ihren herabhängenden Locken sah man nichts anderes als ihre Nasenspitze. Die war knallrot. Jamie war auch immer rot geworden, wenn er aufgeregt oder wütend war. Der Anblick eines Frasers kurz vor einem Wutausbruch war mir nur allzu vertraut.
    »Sie waren in Frankreich«, murmelte Roger, mehr zu sich selbst. Sein Entsetzen war einer aufgeregten Neugier gewichen. »Aber Sie haben doch nicht etwa gewußt...«
    »Doch«, erwiderte ich. »Deshalb sind wir ja nach Frankreich gegangen. Ich habe Jamie von der Schlacht von Culloden im Jahre 1746 erzählt. Wir sind nach Paris gegangen, um Charles Stuart aufzuhalten.«

ZWEITER TEIL
    Die Prätendenten
    Le Havre, Frankreich: Februar 1744

6
    Wogen des Wandels
    »Brot«, murmelte ich leise, ohne die Augen zu öffnen. Doch von dem großen warmen Körper neben mir hörte ich nichts anderes als das sanfte Seufzen seiner Atemzüge.
    »Brot!« wiederholte ich ein wenig lauter. Urplötzlich wurde die Decke zurückgeschlagen. Ich krallte mich an der Matratze fest und spannte sämtliche Muskeln an, um meine aufgebrachten Eingeweide zu beruhigen.
    Von der anderen Seite des Bettes drang leises Rascheln, dann hörte ich, wie eine Schublade geöffnet wurde. Dem folgten ein verhaltener gälischer Fluch und das leise Tappen nackter Füße auf den Bodendielen. Schließlich fühlte ich die Matratze unter dem Gewicht eines schweren Körpers einsinken.
    »Hier, Sassenach«, sagte eine besorgte Stimme, und ich spürte eine trockene Brotrinde an meiner Unterlippe. Ohne die Augen zu öffnen, griff ich danach und kaute zaghaft darauf herum. Jeden Bissen mußte ich meine trockene Kehle hinunterwürgen, doch wohlweislich bat ich nicht um Wasser.
    Die Übelkeit ließ allmählich nach und verebbte schließlich. Als ich die Augen öffnete, blickte ich in das sorgenvolle Gesicht von Jamie Fraser. »Oh!« sagte ich überrascht.
    »Alles in Ordnung?« erkundigte er sich. Als ich nickte und mühsam versuchte, mich aufzusetzen, legte er den Arm um mich, um mir den Rücken zu stützen. Dann ließ er sich neben mir auf dem harten Herbergsbett nieder, zog mich sanft an sich und strich mir über das vom Schlaf zerzauste Haar.
    »Du Arme«, meinte er. »Ob Wein hilft? In meiner Satteltasche ist eine Feldflasche mit Rheinwein.«
    »Nein, vielen Dank.« Schon bei dem Gedanken meinte ich das fruchtige Bukett zu riechen, und schaudernd richtete ich mich auf.

    »Gleich geht es mir besser«, erklärte ich mit erzwungener Heiterkeit. »Mach dir keine Sorgen, es ist völlig normal, wenn einer schwangeren Frau morgens schlecht ist.«
    Zweifelnd sah Jamie mich an. Aber dann stand er auf und nahm seine Kleider vom Hocker neben dem Fenster mit den Butzenscheiben, das mit dicken Eisblumen bedeckt war. Frankreich im Februar gleicht einer Eishölle.
    Jamie war nackt. Gänsehaut zog sich über seine Schultern und hatte die rotgoldenen Haare auf seinen Armen und Beinen aufgerichtet. Aber da er an Kälte gewöhnt war, fror er nicht. Er schien es nicht einmal besonders eilig zu haben, in Strümpfe und Hemd zu schlüpfen, denn er kam zum Bett zurück und umarmte mich.
    »Leg dich wieder hin«, schlug er vor. »Ich schicke das Zimmermädchen rauf, damit sie das Feuer anzündet. Vielleicht kannst du jetzt noch mal ein bißchen schlafen, wo du etwas gegessen hast. Es wird dir doch nicht wieder schlecht werden, oder?« Obwohl ich etwas unsicher war, nickte ich zu seiner Beruhigung.
    »Ich glaube

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