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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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die Evolution es zu seiner Rolle als Speerspitze der ersten technologischen Revolution nötigte. Vielleicht wirst du auch bemerken, dass der Höhlenmensch jetzt ein Bärenfell trägt und dein hoheitliches inneres Auge vor dem ithyphallischen Objekt schützt, dessen Anblick dich zunächst …«
    »Ich wusste gar nicht, dass es ithyphallisch war, Nq'ula. Ich dachte eher an etwas Pendelndes.«
    »Jedenfalls ist es jetzt gnädigerweise und bescheiden verhüllt. Er schwingt nun auch eine Keule aus Knochen.«
    »Die Reifikation von Verteidigung und Angriff …«
    »Oder möglicherweise auch des Prügelns, Hoheit, da diese anderen Begriffe unserem Höhlenmenschen vielleicht noch etwas zu anspruchsvoll sind.«
    »Glaubst du, er hat inzwischen einen Namen?«
    »Es ist unwahrscheinlich, dass er in seinem Rudel – das sich inzwischen eher in einen Stamm verwandelt – einen braucht. Denn er ist das Alphamännchen. Er muss sich so wenig identifizieren wie der Himmel oder die Erde. Da er aber der erste moderne Mensch und Erfinder der Technologie ist, scheint es angemessen, ihn mit einer gewissen Individualität zu belohnen.«
    »Ich stimme zu. Wir wollen ihn John nennen.«
    »So soll es sein, Prinz der Menschen. Nun beobachte: Johns Unterschlupf wird inzwischen von einer tosenden Feuerstelle beheizt und beleuchtet, auch wenn es etwas rauchig ist, weil bisher noch niemand das Bedürfnis nach frischer Luft in Form eines Kamins reifiziert hat. Die Behausung ist zudem von einem bislang unbekannten, aber angenehmen Geruch nach gebratenem Bär erfüllt. Bald werden wir beobachten können, wie weitere Werkzeuge und Möbel in Gebrauch genommen werden, bis schließlich das entsteht, was wir als modernes Leben bezeichnen.«
    »Das wären dann weitere Reifikationen.«
    »Und deren Konsequenzen.«
    »Kapital!«
    »Es freut mich, dass du mir zustimmst, Prinz der Menschen. Interessant ist übrigens, dass das Kapital eine Abstraktion darstellt, also eigentlich das Gegenteil. Geld dagegen ist ein System von Einheiten, mit deren Hilfe Werte übertragen werden können.«
    »Ich weiß nicht, ob das wirklich so interessant ist, wie du zu glauben scheinst, Nq'ula.«
    »Dann lass uns die Wirtschaftswissenschaften und die Illusion der Währung überspringen und unsere Theorie weiterentwickeln.«
    So erreichen sie schließlich das Ende dieser erbaulichen Diskussion. Von irgendwoher taucht eine Piratin mit einem Bratpfannengesicht auf und setzt sich eine zierliche Brille auf (die Sorte, die aus biegsamem Titan ohne Schrauben hergestellt wird. Selbst wenn man sich darauf setzt, fallen nur die Gläser heraus. Und man hat zehn Minuten Spaß damit, sie wieder einzubauen). Sie heißt Antonia Garcia, und wäre Dr. Fortismeer hier, dann würde er sagen, sie sei das Musterexemplar einer Frau. Sie besitzt einige unglaublich ehrgeizige Qualifikationen und einen nahezu religiösen Eifer, der sie im Laufe ihrer Missionsarbeit in Addeh Katir ins Haus des Bey und somit zur Revolution führte. Sie ist Wissenschaftsministerin einer Regierung ohne Land, das Freeman ibn Solomon als »eine Alternative« bezeichnete, bevor er sich als gerissener Piratenkönig entpuppte, der meinen Schnaps trank und für meine Verhaftung und letztlich wohl auch für meine Anwesenheit hier verantwortlich ist. Sie ergreift das Wort, um zu wiederholen, was Professor Derek mir beim Projekt Albumen über die Natur des Universums erklärte, und scheint keine Probleme damit zu haben, Professor Dereks Theorie nachzuvollziehen, auch wenn ihre Vermutungen hinsichtlich einiger Einzelheiten der Löschungsbombe ein wenig danebenliegen – woraufhin sie jemand korrigiert.
    Alle halten inne und drehen sich um. Mir scheint, Professorin Garcia wird nur selten auf diese Weise korrigiert. Ich sehe mich um, wer die fragliche Bemerkung gemacht hat, und erkenne mit etwas Verspätung, dass ich es selbst war. Gleich darauf erzähle ich vor Gott – und vor Gonzo Lubitsch und Zaher Bey, aber vor allem vor Leah, weil sie diejenige ist, die mein Geständnis anhören und mir die Absolution erteilen muss – alles, was ich über diese Dinge weiß, woher sie kommen und was sie tun, und dass es angeblich keinen Fallout gibt, was aber, wie ich inzwischen begreife, offensichtlich absurd und unwahr ist. All das bedeutet natürlich Hochverrat, aber das ist belanglos gegenüber einem Land, das nicht mehr existiert und die Treue, die ich ihm eigentlich schuldig wäre, auf jeden Fall verwirkt hat, nachdem es die ganze Welt in

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