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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Mädchen mögen, und alle anderen Varianten dazwischen. Die Welt ist eben, was sie jetzt ist, und niemand schert sich auch nur einen silbrigen Dreck darum, wer mit wem ins Bett geht, solange die Leute sich benehmen und niemandem wehtun.
    Als wir ankommen, setzt ein behutsamer Austausch von Beschwichtigungen ein. An Orten wie Rheingold überlegen sich die Menschen genau, wen sie willkommen heißen. Es gilt, Rituale zu absolvieren und Prüfungen abzulegen, und beide Seiten müssen Bekräftigungen und Bestätigungen abgeben, dass sie menschlich sind – und nichts anderes. Rheingold will nicht verschwinden, und K und seine Freunde haben nicht die Absicht, ihr Leben als Fettaugen im Kochtopf zu beschließen. K hüllt sich in seinen besten Sarong und zieht die harmlosesten Sandalen an, und mit ihm gehen K (ein schlanker Buchhaltertyp mit blassen Augen) und K, die Batik-Skeptikerin. Behutsam erklären sie, dass sie nur auf der Durchreise seien. Schausteller eben, die gern im Norden außerhalb der Stadt lagern und vielleicht ein wenig Handel treiben würden. Und wenn die braven Einwohner von Rheingold Spaß daran haben, könnten sie auch ihr Unterhaltungsprogramm anbieten. Falls (nur falls) dies die Billigung der Ältesten von Rheingold findet, wird K noch ein oder zwei andere Personen seines Vertrauens hinzuziehen, die der Darbietung etwas Farbe und Schwung verleihen könnten.
    Die Einwohner von Rheingold tauchen langsam, mit sichtbaren Händen und voller Achtung auf. Sie lächeln breit, damit wir erkennen, dass sie ihre Zähne nicht wie Kannibalen spitz gefeilt haben. Sie finden und suchen Entschuldigungen, um ihre Schuhe auszuziehen (kleine Steine, ein Jucken, Nietnägel, gebrochene Sohlen und so weiter), damit wir sehen, dass sie Zehen und keine Krallen haben. Es gibt viel Nicken und Händeschütteln, die Leute klopfen sich auf den Rücken, und endlich ist weitgehend geklärt, dass niemand seine Knie in die andere Richtung abknicken kann oder Daumen mit zwei Gelenken und Rückenflossen hat. An diesem Punkt kommt eine gewisse Menge Bier ins Spiel.
    Während der bernsteinfarbene Friedensstifter zwischen den Männern fließt, geht K (die Skeptikerin) einkaufen, schwatzt mit den alten Frauen und den jungen Müttern in der Stadt und lässt sich die Haare schneiden, nicht zuletzt, um unsere ehrlichen Absichten zu unterstreichen: Seht her, ich brauche Kosmetika. Ja, ich will schick aussehen. Kann mir eine von euch die Haare machen? Ich bin ein Säugetier, genau wie ihr, und ich brauche den engen Kontakt und jemanden, der mir die Läuse aus dem Pelz klaubt. Schließlich laden die Damen von Rheingold sie ein, bieten ihr Kuchen an und erfahren, dass sie mit einem (ziemlich fiktiven) jungen Mann namens K zusammen ist (immerhin geht sie so weit, den Damen anzuvertrauen, dass sein richtiger Name Clifford ist und dass er noch nicht lange in den Wohnwagen lebt). Sie habe aber die Absicht, ihn zu heiraten, sobald es die Zeit und die Gepflogenheiten erlauben, denn sie sei sehr verliebt und wegen der Verzögerung auch ziemlich frustriert, weil sie natürlich so wenig in seinen Airstream ziehen kann wie er in den ihren, solange die Formalitäten nicht erledigt sind. Dieses Beispiel an Monogamie und rechtschaffenem Verhalten gibt den weiblichen Einwohnern von Rheingold die Gelegenheit, etwas derb zu werden und sich kichernd zu erinnern, um schließlich hinter vorgehaltener Hand anzudeuten, dass es doch für zwei junge Leute von gutem Charakter in einem Wohnwagen reichlich Zeit und Gelegenheit geben müsse, um einander wenigstens ein bisschen Befriedigung zu verschaffen, was? Hihi und ja, sagt K, die gibt es wohl, aber das sei doch nicht dasselbe, und sie habe solche Sehnsucht. Das verstehen die Damen von Rheingold und finden es ungeheuer romantisch, und überhaupt, mein liebes Mädchen, der einzige, wirklich der einzige Mensch, der Ihnen die Haare schneiden kann, das ist Lisa. Wie es der Zufall will, kommt sie um vier Uhr hierher, also bleiben Sie doch einfach, und nehmen Sie noch etwas Kuchen.
    Lisa hat ihren grandiosen Auftritt und wird hereingebeten. Sie findet Ks Haare ganz reizend. Aber, mein armes Kind, die Spitzen ! Doch wie gewagt dieser Schnitt ist, einfach wundervoll für einen so jungen Menschen, und Gott sei Dank haben Sie ja keine nennenswerte Oberweite, sonst würde ich mich ganz und gar überstrahlt fühlen. K, die innerlich vor Lachen heult, versichert Lisa, einer Dame von ihren Proportionen könne gewiss niemand das Wasser

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