Die gelöschte Welt
aggressiv abrasiert ist. Durch den Schweinenebel marschiert sie mir entgegen und baut sich vor mir auf.
»Hi«, sagt sie. »Ich bin K.«
Man sieht mir die Verwirrung wohl an. Ich dachte, K sei der dicke alte Knacker. Irgendein Kerl mit einem trockenen Mund spricht es laut aus.
»Nein«, antwortet sie. »Ich meine, das ist er. Aber ich bin K.« Als ob das irgendetwas erklären würde. Mein K – der ursprüngliche Dicke – legt mit einer kleinen, verzweifelten Geste die Schürze ab und wirft den Rest des Specks in den Mülleimer. Dann öffnet er neben dem Ofen ein kleines Fenster, und der Rauch zieht sofort ab. Gleichzeitig dringt das unverkennbare Dröhnen der Straße herein. Ja. Der silberne Wal. Ich bin an Bord von Jonas' Bus. Jonas' Bus ist mein Krankenhaus, und dies ist Satans Hölle. Satans Hölle ist ein Campingbus. K ist beunruhigenderweise nicht identisch mit K. Ich gurgele ein wenig. Frege ist nicht der ideale Gefährte für einen Mann, der unlängst perforiert wurde. Der dicke K schließt das Fenster und sieht seine Gefährtin verstimmt an.
»Tu das nicht mit ihm, meine Liebe. Er wurde angeschossen. Er leidet auch so schon genug.« Dann wendet er sich an mich. »Ich bin K. Sie ist auch K. Wir beide – eigentlich sogar viele von uns hier – tragen den gleichen Namen. Nicht, dass wir alle ein und dieselbe Person wären, verstehen Sie? Wir benutzen einfach nur eine gemeinsame Bezeichnung, um die beliebige Neueinschätzung der Natur unserer Beziehungen zu erleichtern. Wir neigen eben nicht zu voreiligen Annahmen.«
»Nur dass K gern annimmt, er könne kochen«, wirft das Mädchen aufgebracht ein. »Aber das kann er gar nicht.«
»Ich habe bisher nicht die Fähigkeit des Kochens demonstriert«, murmelt K gelassen, »aber es wäre ungenau zu sagen, dass ich es nicht kann. Vielleicht warte ich auch nur auf den richtigen Augenblick.«
»Auf den richtigen Augenblick.«
»Ja«, sagt K hoheitsvoll. »Vielleicht warte ich auf einen Augenblick, in dem es uns einen taktischen Vorteil verschafft. Dann werde ich plötzlich über die rohen Lebensmittel herfallen und sie mit bemerkenswerter Raffinesse in Cordon Bleu verwandeln und dadurch die Welt zu ihrem Besseren verändern.« Er lächelt.
Skeptisch zieht das Mädchen eine Augenbraue hoch, sagt aber nichts dazu. Ihr Haarschnitt verstärkt den skeptischen Ausdruck noch, was vermutlich auch der Sinn der Sache ist.
K (der Dicke, nicht die Skeptische) verlangt einen Augenblick trauter Zweisamkeit mit seinem Patienten. Er wuselt um mich herum und konsultiert etwas, das mir wie ein Krankenblatt vorkommt. Allerdings klemmt es auf einem Stück orangefarbenem Plexiglas, das früher mal in einer Bar namens Viva Humperdink! als Tablett diente.
»Wie fühlst du dich?«, fragt er.
»Keine Ahnung.«
»Okay«, sagt K und kreuzt auf dem Blatt anscheinend ein Kästchen an, das mit »Keine Ahnung« beschriftet ist. »Eigentlich«, fährt K fort, »eigentlich machst du dich erstaunlich gut. Du hattest viele gebrochene und angebrochene Rippen, die … nun ja, sie waren zwar kaputt, aber es war nicht ganz so schlimm, wie es hätte sein können. Du hast dir beide Fußgelenke verrenkt, aber auch das ist nicht so schlimm, was an ein Wunder grenzt. Außerdem hast du reichlich Prellungen, und natürlich wurdest du, na ja …«
Das weiß ich selbst.
»Angeschossen.«
K nickt.
»Aber du wirst es überleben.«
Oh.
»Wie habt ihr mich gefunden?«
K behagt die Frage nicht.
»Da kannst du dich bei Dr. Andromas bedanken«, sagt er und versteckt sich dabei hinter dem Krankenblatt. Offenbar redet er nicht gern über Dr. Andromas. »Willst du sonst noch etwas wissen?«
Es gibt mehrere Fragen, die ich aber nicht stelle. Ich verzichte darauf, weil ich das Gongfu von Isaac Newton studiert habe. Assumption Soames, Aufständische und heimliche Ketzerin, verlangte von ihren Schülern, bereits in jungen Jahren Newtons Gesetze zu begreifen. Deshalb war ich schon mit ihnen vertraut, noch bevor Meister Wu Newton zum Sifu und zu einem wichtigen Mann ernannte. Angeblich, weil jeder vernünftige Soldat seinen Feind kennen müsse, säuselte die Evangelistin stets hinten im Klassenzimmer – ein Lehrer, der da ist, obwohl man ihn nicht sehen kann, wirkt erheblich beeindruckender als einer, den man mit Blicken einschätzen kann. Unversehens stieß sie auf aufmüpfige und saumselige Schüler herab und verlangte von ihnen, den gotteslästerlichen Katechismus der Alchemisten und Zauberer
Weitere Kostenlose Bücher