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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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stottert bei dem unvertrauten Namen. »Marcus auch. Er lehrte seinen Bruder, was es heißt, ein rechtschaffener Mann zu sein. Deshalb wurde er nie gewalttätig, wenn er wütend war. Nicht, dass er sich sehr zurückhalten musste. Es entspricht ihm einfach nicht, jemanden zu schlagen, der ihm lieb und teuer ist.« Komisch, aber das stimmt sogar, obwohl die Narben auf meiner Brust das Gegenteil sagen. Allerdings hat der Sandkasten der Wahrheit meine Einstellung zu den Schüssen im Truck und den Tritten, die mich während der Fahrt hinausbeförderten, geändert. »Gonzo war also wütend und fürchtete sich, wusste aber nicht, wie er damit umgehen sollte. Ich sah es an seinen Mundwinkeln. Äußerlich war er still und ruhig, aber sein Mund verriet ihn. Ich dachte, er würde sich gleich übergeben oder schreien. Er saß nur da, saß stocksteif auf seinem Stuhl – auf dem da …« Der alte Lubitsch zeigt auf einen ganz gewöhnlichen Sessel mit Velourskissen, der nicht zu erkennen gibt, dass er jemals der Schauplatz einer traumatischen Erfahrung war. »Er bat sie leise, das jetzt nicht zu tun. Sie zog die Hände so schnell zurück … ich wünschte, er hätte geschrien. Das wäre einfacher gewesen. Der Verband war schon ziemlich alt. Sie hatte es schon einmal versucht und begriff jetzt nicht, warum er sich so sträubte. Wie wurde er verletzt? War es eine Verbrennung? Eine Schnittwunde? Was ist das für eine Verletzung, und was bedeutet sie ihm? Es tut ihr weh, doch sie kann ihn nicht fragen. Sie kann nur ihre Hilfe anbieten, wie sie es immer tut, und sich zurückweisen lassen, es schlucken und es dann noch einmal versuchen. Ich glaube, eines Tages wird es sie umbringen. Er … er fürchtet sich vor ihrer Freundlichkeit, als könnte sie irgendetwas in ihm zerbrechen, vielleicht seine Entschlossenheit. Er hat Angst, geliebt zu werden, weil er glaubt, er sei es nicht wert. Er schämt sich zu sehr. Aber er ist auch zornig. So zornig, weil er glaubt, er sei auf eine ungerechte Art und Weise verletzt worden. Darin ist er wie ein Kind, er weiß nicht einmal den Grund. Sein neuer Job wird das alles ändern. Da wird er sich wieder gut fühlen, es wird ihn reinigen. Dann wird das Schlechte entfernt .«
    Ma Lubitsch stellt mir eine Tasse hin. Wenn sie will, kann sie sich wie eine Katze bewegen. Ma Lubitsch ist sehr gut darin, genau das zu sein, was sie ist. Ihr Gewicht macht sie anmutig, ihre Körperfülle schenkt ihr Kraft. Sie hat einen Rauchtee gekocht, weil es schon nach Mitternacht ist und wir bei klarem Verstand sein müssen. Außerdem hat sie einen Schuss Milch hineingegeben, um das Aroma zu mildern. In Ma Lubitschs Haus bestimmt niemand außer ihr selbst, wie der Tee zu trinken ist. Sie schätzt es mit geübtem Auge ab und entscheidet sich für Darjeeling, Lapsang Souchong, Assam oder Pekoe, wie es der Augenblick erfordert. Was Milch und Zucker angeht, so kennt sie ebenfalls keine Gnade, und sie wählt auch die Tassen aus. Kleine Tässchen an heißen Sommertagen, dicke Pötte im Winter. Heute bekommen wir Tassen, die ich noch nie gesehen habe. Sie haben eine dicke Glasur, stellenweise abgestoßen. Darunter kommt der Ton zum Vorschein. Notfallpötte für verzweifelte Augenblicke.
    »Ich habe mit James gesprochen.« Damit meint er Jim Hepsobah. Der alte Lubitsch akzeptiert die Kurzform nicht. Jim ist und bleibt für ihn James, als wäre dessen Stärke viel zu groß, um in einen Spitznamen gezwängt zu werden. »Oder vielmehr, ich habe es versucht. Er war höflich und hat ein bisschen mit mir geplaudert. Aber … er kann eigentlich nicht plaudern und reichte mich an Sally weiter. Sie kann gut lügen. Sie lügt durch Auslassung, Unterschlagung, Ausflüchte und Irreführungen. Sie gab sich fröhlich. Warum sollte denn irgendetwas nicht in Ordnung sein? Aber sie war unglücklich.« Der alte Lubitsch seufzt.
    »Und jetzt du«, fährt er fort. »Mit diesem Gesicht, mitten in der Nacht. Du bist das Gegenteil. Du wolltest weglaufen, als könnten wir dich angreifen. Du rechnest damit, abgewiesen zu werden, obwohl du nichts Falsches getan hast. Du bist dir völlig sicher, du hast nichts Falsches getan. Auch du bist zornig, aber du schämst dich nicht. Warum? Wer bist du eigentlich? Und warum bist du hier? Du bist doch nicht hier, um Geheimnisse für dich zu behalten. Wenn du hättest lügen wollen, dann hättest du nur an der Tür vorbeigehen müssen. Was hat mein Sohn dir angetan, dass er so schnell weglaufen musste?«
    Ich kann nicht

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