Die gelöschte Welt
diese Sache.
Ich bin als Tragen-Mann eingesetzt und steige aus einem heißen, stinkenden Medevac (das ist ein Jeep mit einer Plane), um ein paar Leute zu unterstützen, die das schon einmal gemacht haben. Eine besondere Ausbildung habe ich nicht bekommen. Sie haben mir einfach das Armband eines Sanitäters verpasst und mir gesagt, ich solle das hintere Ende der Trage nehmen, weil man vorne mehr Erfahrung benötigt. Vorne muss man:
1. wissen, wie man läuft, obwohl einem der Kopf eines Mannes von hinten gegen die Beine stößt,
2. fähig sein, das Gewicht eines Mannes hinter dem Rücken zu tragen, und
3. sich auf dem Schlachtfeld zurechtfinden, während man 1. und 2. erledigt und dabei beschossen wird.
Ich schwitze unter anderem auch deshalb, weil es alle tun und ich nicht außen vor bleiben will. Genau wie Tobemory Trent habe ich mein Hemd anbehalten. Die Idee dahinter ist, dass die Feuchtigkeit beim Schwitzen in der Kleidung bleibt, die den Körper bedeckt, sodass man nur einmal schwitzen muss und nicht ständig neue Flüssigkeit verliert. Ich weiß nur, dass sich auf meinem Hosengürtel und unter meinem Arsch Pfützen und Bäche bilden, und hoffe, dass ich nicht von irgendeinem übereifrigen Hobbyknipser erwischt werde, der »den Moment einfangen« will und die feuchten Flecken um mein Gesäß herum fotografiert. Ich habe keine Lust, im Großformat für nasse Hosen zu werben.
Der Grüne Sektor im Westen ist ruhig und sicher, dort langweilen sich vermutlich einige Leute und fragen sich, wie sie den Nachmittag totschlagen sollen. Wahrscheinlich sieht es am Roten Tor ähnlich aus, auch wenn die Soldaten mir, als wir vor einer Weile vorbeikamen, zu verstehen gaben, dass sie unglücklich sind. Offenbar ist der örtliche Kommandant ein Idiot. Ich muss George Copsen davon erzählen, wenn ich zurück bin. Solche Dinge will er wissen.
Rechts, in einer umkämpften Zone, brennt irgendetwas Großes oder eher etwas Kleines, das sich dafür aber mächtig ins Zeug legt. Der Rauch steigt empor, verdeckt den blauen Himmel und wirft einen Schatten aufs Land. Das dort ist offenbar Mordor, da drüben gibt es Orks und Ungeheuer, und was da brennt, ist der Schicksalsberg. Eigentlich sieht es auf eine üble Weise sogar ganz interessant aus. Außerdem ist es weit entfernt. Tobemory Trent, der Sergeant unserer Sanitätseinheit, ließ uns vor ein paar Augenblicken hier absetzen und prüft gerade, ob die Luft rein ist, und achtet (was noch wichtiger ist) auf irgendwelche geheimen Zeichen seiner Testikel, die nur ein Sanitäter an der Front richtig zu deuten weiß. Niemand sagt ein Wort, aber ich habe sowieso nichts zu sagen. Der hintere Träger hat eigentlich nur eine einzige wichtige Aufgabe: dem Vordermann zu gehorchen. In meinem Fall ist das Trent selbst. Er kommt zu einer Entscheidung und schlägt einen großen Bogen um den Rauch, damit wir uns ihm von Norden her aus höherem Gelände nähern können.
Ich folge Trent zum Schicksalsberg und frage mich, welcher Hobbit ich wohl bin. Es scheint mir so, als sollten wir uns lieber nicht in die Kämpfe einmischen. Ich höre die Schüsse, und wenn der Wind richtig steht, kann ich sogar das Pulver riechen. Außerdem höre und sehe ich Explosionen und so weiter, aber sie klingen dünn und falsch. Trent hat sich zu früh in Bewegung gesetzt und geht in die falsche Richtung. Er wird schneller, ich folge gezwungenermaßen seinem Beispiel. Der Lärm nimmt zu. Ein gepanzerter Personentransporter rast an uns vorbei, glänzend und neu und mit einem dringenden Auftrag. Ich nehme mir vor, General Copsen um Einteilung zum Streifendienst zu bitten, wenn er mich das nächste Mal fragt, ob mir langweilig wird.
»Wir sind gleich da«, sagt Trent. Er muss äußerst bewegt sein, wenn er so geschwätzig wird. Mir ist nicht klar, woher er das weiß. Ich vermute, wir werden wohl noch eine Weile rennen müssen, aber dann frage ich mich, ob uns der Transportpanzer vielleicht mitnehmen kann.
Als Trent uns hier im Niemandsland absetzen ließ, war der zweite Hintermann kurz davor, eine schwere Sünde zu begehen. Er kam mir vor wie jemand, der eine Frage stellen wollte. Das verrät mir, dass er ebenfalls neu ist. Der Leutnant im Transporter, ein Mann mit null Haaren, der offenbar aus Elfenbein und Pergament besteht, hat sich nur vorgebeugt und Thomas zur Tür hinausgeworfen. Trent und der zweite Vordermann wechselten einen Blick, der nach »Und mit solchen Ärschen müssen wir heute
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