Die gepluenderte Republik
Rennen auf der Galopperbahn Wanne-Eickel habe?
In Wahrheit allerdings vertraut die marktradikale Art des Wirtschaftens besonders auf »staatlich abgesichertes Unrecht«: Der Staat garantiert astronomische Einkommen aus bloßem Kapitalbesitz. Und dies ist besonders dann der Fall, wenn Staatskonzerne an private Raffkes verschleudert werden. 33
Aus diesem Grund ist das unverfrorene Rettungspaket zum Wohle der Banken keineswegs ein Kurswechsel, sondern ein »weiter so«. Der Staat steht für das Weiterleben und die Gewinne der Geldinstitute bezeichnenderweise in dem Moment gerade, wenn sie eigentlich »fertig haben«. Damit hält er sich an die abgewirtschaftete Pseudologik der neoliberalen Gierschlunde, also an »die Maximen der Krisenverursacher ohne wesentliche Korrekturen noch direkter als zuvor«. 34
Dadurch aber wird die Praxis der Finanzwirtschaft im Wesentlichen nicht angetastet, man denke nur an die bizarren Transaktionen der Banken untereinander ohne jegliche Förderung der echten Wirtschaft, an »Verbriefung« (Weiterverkauf) von Krediten, Handel mit abenteuerlichen Kreditderivaten, »Zweckgesellschaften«oder Hedgefonds mit absurd geringem Eigenkapital.
Damit aber bleibt die unterm Strich gemeingefährliche Absahnergilde samt ihrer krisenschaffenden Finanzpraktiken völlig unbehelligt: Alle Macht und alles Geld den Zockern, und die Realwirtschaft kann sehen, wo sie bleibt. Was in diesem Zusammenhang schwarzer Humor reinsten Wassers ist: Indem man – scheinbar sozial und aufrichtig – Steuerverbrechen einzelner Superreicher zum Gesprächsthema macht, überspielt man bewusst den Umstand, dass die Steuerparadiese in Wahrheit den Helden des Neoliberalismus dienen. Es geht dabei aber nicht um Zumwinkel and Friends, sondern um die Zentralen der Hedgefonds und Zehntausende von »Zweckgesellschaften« von Banken und Konzernen. Allein die Deutsche Bank unterhält gut 800 derartige »Firmen« auf den Cayman Islands, auf Jersey oder in Delaware.
Geradezu tragikomisch aber ist es, wie Werner Rügemer zu Recht bemerkt, dass »dieselben Regierungen überall in der Welt Schuldige finden, insbesondere Terroristen«, aber »für die Finanz- und Wirtschaftskrise nirgendwo irgendeinen Schuldigen«. Schön auch, wenn der damalige Fastkanzler Frank-Walter Steinmeier am 14. Januar 2009 vor dem Bundestag sagt: »Wer nach Schuld fragt, liegt falsch. Wir müssen in die Zukunft blicken.«
Mit dem
Finanzmarkt-Stabilisierungs-Gesetz
vom Oktober 2008 stampfte man eine neue Einrichtung aus dem Boden, nämlich jenen SoFFin, dem das freie und beliebige Schalten und Walten mit dem »Bankenrettungsschirm« oblag, also die uneingeschränkte Verantwortung und Vollmacht für jene 480 Milliarden, die gerade jenen Pleitebanken zugedacht waren, die uns noch kurz zuvor über den Frevel staatlicher Einmischung belehrt hatten.
Nicht zufällig wurde diese Sache entgegen dem Grundgesetzund sämtlicher Urteile des Bundesverfassungsgerichts der Zuständigkeit des Bundestags entzogen. Das Gremium der parlamentarischen Kontrolleure tagt so konspirativ wie die irische IRA und die baskische ETA zusammengenommen. Selbst die neun Mitglieder haben so gut wie kein Akteneinsichtsrecht und unterliegen der Verschwiegenheit. So wurde der Geheimbericht über die wirkliche Verschuldung der HRE den Volksvertretern nur mit sorgfältig geschwärzten Passagen zur Verfügung gestellt.
»Die Steuerzahler bekommen also für die Milliarden, die sie aufgebracht haben, nicht einmal ein Auskunftsrecht, geschweige denn ein Mitspracherecht darüber, was die Banken mit den Milliarden anstellen«, stellt der US-Ökonom Joseph Stiglitz für sein Land fest, wo es offenbar ähnlich zugeht. 35
Geradezu typisch für das Demokratieverständnis der großen Parteien ist es, dass der 480-Milliarden-Blankoscheck für den SoFFin aus dem Bundeshaushalt ausgegliedert wurde. Am Ende allerdings überträgt der SoFFin die Schulden dann doch auf den Bundeshaushalt, sprich: den Steuerzahler.
Weil immer mehr Branchen in den Strudel der Finanzkrise geraten, senkt die Europäische Zentralbank die Leitzinsen zur gleichen Zeit ganz massiv: von 4,25 Prozent im September 2008 auf 1,00 Prozent im Mai 2009. Die Banken bekommen ihr Geld nun also 3,25 Prozent günstiger als noch vor ein paar Monaten.
So sollen Kredite billiger werden, damit die Unternehmen investieren und die Verbraucher einkaufen gehen und somit die Konjunktur wieder in Schwung bringen. Doch viele Banken denken gar nicht daran, die
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