Die gepluenderte Republik
wollen Staatsgeld«, nörgelt immerhin die
Frankfurter Allgemeine Zeitung
bereits am 31. Mai 2009: »Der Staat gibt aus vollen Händen.« 78 Und prompt mäkelt der damalige Unionsfraktionschef Volker Kauder: »Die Verlockung, aber auch der Druck auf Unternehmen, sich dem Trend anzuschließen und staatliche Hilfe zu erbitten, wächst. Genau das kann der Staat aber nicht leisten.« 79
Um die Konjunkturpakete richtig beurteilen zu können, lohnt ein Blick auf die Zusammenhänge. Die Ideologie der freien Marktwirtschaft, Neoliberalismus also, verhält sich zur Wissenschaft wie ein Spulwurm zu Leonardo da Vinci. In Wahrheit handelt es sich um eine Religion, die auf Glauben statt Wissen beruht und schon von daher jegliche Fach- und Sachkenntnis als überflüssig erscheinen lässt. So räumte der Mitbegründer des Neoliberalismus, Friedrich August von Hayek, unumwunden ein: »Das System funktioniert unter der Bedingung, dass der Einzelne bei seiner Teilnahme an sozialen Prozessen bereit und willig sein muss, sich Änderungen anzupassen und Konventionen zu unterwerfen, die nicht das Ergebnis vernünftigenPlanens sind (…) und deren Ursachen vielleicht niemand versteht.« 80 Auf Deutsch: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Gewöhnliche neoliberale Politiker halten John Meynard Keynes für den Mittelstürmer des FC Liverpool, Adam Smith für den Großvater des US-Komikers Will Smith und besagten Hayek für den Stiefvater der Mimin Salma Hayek. Daher haben Neoliberale viel mit pseudochristlichen Sekten gemeinsam: Ihre Voraussagen treffen so gut wie nie ein – weder ist die Welt untergegangen, noch ist die freie und skrupellose Markwirtschaft das »Ende der Geschichte« (Francis Fukuyama).
Deshalb ist es gar nicht verwunderlich, dass viele unserer Volksvertreter nicht zugaben oder schlicht nicht wussten, dass das Konjunkturpaket vom Februar 2009 das direkte Gegenteil der bis dato vollmundig verkündeten Wirtschaftsdoktrin darstellte. Gerade eben noch zur Nichteinmischung in die Angelegenheiten der Wirtschaft verurteilt, wurde der Staat plötzlich um Finanzspritzen angebettelt.
Hier aber schwelt ein Widerspruch innerhalb der »Eliten« aus Politik und Wirtschaft: Einerseits brauchen sie die Steuergroschen der kleinen Leute zum Aufpäppeln maroder Unternehmen und zum »Ankurbeln der Wirtschaft«. Andererseits hätten sie das Geld in Form von Spitzensteuersatzsenkungen am liebsten direkt in die eigene Tasche gesteckt.
Beispielhaft für dieses Dilemma ist der verbale Wutanfall der
FAZ:
Die Regierung verteile »großzügig neue Wohltaten: Rentenerhöhung, mehr Leistungen bei der Pflege, Wohngeld, Elterngeld, höheres Kindergeld. In der Summe macht auch das zweistellige Milliardenbeträge aus – und die müssen auch jetzt gezahlt werden, obwohl das Geld fehlt.« 81
Fest steht jedenfalls, dass der Bürger in Form von Bürgschaften alle Risiken trägt und im Gegenzug völlig unverbindliche Zusagen etwa für Arbeitsplätze erhält. Sollte sich dann ein Unternehmen aufgrund staatlichen Bürgens wieder erholen undentsprechend die Aktienkurse wieder in die Höhe klettern, dann profitieren davon weder Stahlarbeiter Krause und Verkäuferin Lehmann noch Krankenschwester Schulz und Installateur Müller, sondern die Aktionäre.
Verglichen damit sind die »Wohltaten« geradezu lächerlich: Bund, Länder und Kommunen investieren gerade einmal 18 Milliarden Euro in die Infrastruktur, also in den Ausbau oder die Sanierung von Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Krankenhäusern, Straßen, Schienen und Wasserwegen. Die Baubranche und einige Handwerksbetriebe freut es, aber das war es dann auch schon. Auch die Steuererleichterungen für normal verdienende Familien und Singles von durchschnittlich unter 35 Euro monatlich sind eher mickrig.
Die Opel-Posse: Lehrstück alternativloser Marktwirtschaft
Lachen oder sich übergeben ist eine seltsame Alternative. Dennoch drängt sie sich ständig auf, betrachtet man unsere Wirtschaft und unsere Politik. Da wird uns am Vormittag noch die grandiose Litanei von der Allmacht des Marktes gepredigt und dass sich der Staat gefälligst herauszuhalten habe, und nur ein paar Stunden später fordern dieselben Lichtgestalten von ebendiesem Staat Millionen oder gar Milliarden an Unterstützung. Und sie sind dabei nicht einmal passenderweise »ganz klein mit Hut«, sondern treten wie eh und je nassforsch und unverschämt auf.
In den USA sind die Politiker weniger devot: Man denke nur an das
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