Die gepluenderte Republik
Sendung hockten. Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg nennt als Hauptgrund für diese Hörigkeit, dass dies für sie eine Frage der Kostenersparnis sei: Wenn Zeitungen kostenlose Beiträge und Sender kostenlose Studiogäste erhielten, sei dies natürlich attraktiv. Die Folge: »Die Journalistinnen und Journalisten fallen sozusagen aus der Rolle, weil sie nicht kritisch kontrollieren, weil sie die Interessen nicht transparent machen.«
Dass die INSM am liebsten inkognito arbeitet, bestätigt auch eine Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster: Bei mehr als 50 Prozent der untersuchten Beiträge tauchten INSM-Botschafter auf, aber nicht einmal in jedem sechsten Beitrag wurde die Botschafterrolle für die INSM transparent gemacht. 110
TEIL IV
Der Schwarzmaler- Wettbewerb
Eitelkeit ist das Mindeste, was alle Multiplikatoren treibt, Chefvolkswirte, Politiker und Journalisten sind keine außenstehenden Beobachter, sondern Teil einer Mediengesellschaft, in der sie ihre Existenzberechtigung aus dem Erzielen von Aufmerksamkeit ziehen. Aufmerksamkeit aber erhält man am leichtesten für die noch katastrophalere Zahl und die noch drastischere Formulierung.
Detlef Esslinger,
Süddeutsche Zeitung
Etwas ganz anderes ist es, das Ausmaß der Krise in möglichst dunklen Farben zu malen. Ende September 2008 begann die große Schwarzmaler-Rallye, und sie steigerte sich von Tag zu Tag, von Superlativ zu Superlativ. Alle möglichen Experten aus Wirtschaft, Politik und Medien, zuweilen sogar aus Kultur und Sport, sowie alle möglichen anderen »Experten« lieferten sich einen verbissenen Kampf um das ultimative Horrorszenario: Die schlimmste Krise seit 2001! Nee, seit 1945! Oder nicht doch seit 1929? Eigentlich aber doch seit Erkalten der Erdkruste!
Es klang, als stünden wir kurz vor dem Übergang in die Steinzeit und müssten Bangladesch um Fresspakete und den Irak um Öl für unsere Petroleumlampen bitten oder unsere Höhlen mit Lagerfeuern heizen. Gegen die prominenten Stimmungsmacher jedenfalls waren die pseudoreligiösen Weltuntergangsprediger die reinsten Lebensoptimisten.
Aber woher kam diese Götterdämmerungsstimmung auf
Bild-
Niveau?
Neben der erwähnten exhibitionistischen Selbstgefälligkeit spielt sicher der Herdentrieb eine Rolle: Wer keinen Schimmer hat, worum es eigentlich geht, übernimmt einfach die Meinung anderer, aufgebauscht durch noch wildere Begriffe wie »realwirtschaftlicher Tsunami«. Das Ganze erinnert an eine Runde des Spiels »Stille Post« mit koreanischen Vokabeln: Man versteht nur die Hälfte, gibt es aber dennoch an den Mitspieler weiter. Am Ende kommt natürlich hanebüchener Unsinn heraus, den wir dann in den Talkshows oder in der Presse bestaunen können.
Diese Propaganda tut natürlich beim deutschen Lemming seine Wirkung und löst eine Kettenreaktion aus: Wozu jetzt neue Maschinen kaufen, wenn meine Kunden momentan knapp bei Kasse sind? Wozu Stahl produzieren, wenn der Maschinenhersteller zurzeit eh seine Produktion reduziert? Sosehr auch die Krise »an sich« zum Kapitalismus gehört wie das Erbspüree zum Berliner Eisbein, so sehr beeinflusst auch die allgemeine Stimmung den konkreten Verlauf einer Krise. Ob Konsumenten oder Händler und Produzenten Geld ausgeben, hängt natürlich von ihrer Erwartung ab, ob sie es sich leisten können oder es sich lohnt.
Ein weiterer Grund für die »Vollversammlung im Jammertal«
(Süddeutsche Zeitung)
war allerdings eiskaltes politisches Kalkül. Erstens: Je grauenhafter man die Zukunft malt, umso größer das Verdienst der Regierung, wenn es pünktlich zu den Wahlen dann doch ganz anders kommt. »Wirtschaftsministerium ruft Ende der Krise aus«, titelt
Spiegel Online
termingerecht am 11. Juli 2009. Zweitens: Dem Bürger soll das Hirn weichgeklopft werden, damit er die Ausplünderung der Staatskassen auch noch als normal oder zumindest notwendig oder gar »alternativlos« empfindet. Im Herbst 2008 habe Deutschland »drei Wochen langam Rand des finanziellen GAU« gestanden, übertreibt die
Tagesschau
sogar noch im Nachhinein. »Ein paar Tage noch und die Geldautomaten hätten keine Scheine mehr ausgespuckt.« 111
Die Frage, warum man gerade eben noch die Renovierung einer Schule für unfinanzierbar hält und in der nächsten Sekunde eine halbe Billion Euro für einen »Rettungsschirm« zur Finanzierung von Traumgehältern der Versager und der Dividenden der wahren »Sozialschmarotzer« hinblättern kann, soll ihm gar nicht
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