Die gepluenderte Republik
können Millionäre mit einem verarmten Staat bequem leben. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner befürchtet dagegen wahlkampftauglich, dass durch die SchuldenbremseInvestitionen in Bildung, Kinderbetreuung, Klimaschutz oder Verkehrsinfrastruktur künftig unmöglich sein könnten, weil sie Schulden erforderlich machen: »Wer diese Investitionen bremst, bringt das Land um seine Zukunft.«
Dass
Schulden
etwas Ehrenrühriges sind, beruht auf der Rechnung unserer Urahnin, dem Milchmädchen. Zum einen sind Schulden – die Kredite – das Schmieröl inzwischen nahezu jeder Volkswirtschaft: Keine Schulden – keine Banken, keine Kredite – keine Realwirtschaft. Zum anderen ist entscheidend, ob der Bürger, das Unternehmen oder der Staat sich aufgrund von Vermögen und Einkünften diesen Kredit leisten können oder ob sie überschuldet sind, und dies ist bei einem der reichsten Länder der Welt wohl kaum der Fall: Deutschland wird nicht so schnell in die Pleite rutschen.
Dass allerdings die Neoliberalen und Reichen gegen hohe Staatsschulden sind – Motto: »Lieber keine Kindergärten als welche auf Pump« –, hat einen handfesten, aus ihrer Sicht vernünftigen Grund: Sie befürchten eine Inflation, und da sie, als Besitzer von Aktien, Fondsanteilen oder Staatsanleihen,
Gläubiger
sind, schwindet natürlich mit dem Wert des Geldes auch der ihrer Forderungen. Und was ihnen nicht weniger wichtig ist: Nach dem neuen Gesetz und der gegenwärtigen Schuldenentwicklung sind ab 2020 Steuersenkungen praktisch ausgeschlossen. »Die Schuldenbremse ist auch eine Steuersenkungsbremse«, meint Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer. Der Traum von einem Spitzensteuersatz unter 15 Prozent muss also warten.
Dies ist aber nur vordergründig gedacht: Wenn etwa BDI oder der Bund der Steuerzahler zu hohe Defizite beklagen, dann denken sie mit Sicherheit nicht an fehlendes Geld für die Bezüge von Rentnern, Hartz-IV-Empfängern oder alleinerziehenden Müttern, dafür umso intensiver an die Auswirkungen auf den »Geldmarkt«: Staatsschulden treiben die Geldentwertungin die Höhe. Die aber nutzt logischerweise immer den Schuldnern und schadet den Gläubigern. Da aber in aller Regel die Reichen, die Konzerne die Gläubiger und die Normalbürger und Ärmeren die Schuldner sind – siehe Immobiliencrash in den USA –, profitieren diese Schichten von einer Inflation.
Durch die Gasse der Vorurteile muss die Wahrheit ständig Spießruten laufen.
Indira Gandhi
3. Demagogen in Hochform: Verantwortung für unsere Kinder
Besonders skurril und dem Genre »Psychoterror« zuzuordnen ist die Behauptung, unsere Kinder und Enkel und Enkelsenkel wären die Leidtragenden der heutigen Staatsverschuldung.
Erstens ist noch gar nicht entschieden, ob die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sich über Generationen damit abfindet, dass eine klitzekleine, ohne einen Handschlag immer steinreicher werdende Minderheit in Saus und Braus lebt, während die Normalbürger selbst den Gürtel enger und enger schnallen sollen.
Zweitens sind nicht die Staatsschulden das Problem, sondern die Arm-Reich-Schere. Hinzu kommt die nach wie vor atemberaubende Steigerung der Produktivität der Arbeit, die natürlich auch den Nachfolgegenerationen zugutekommen wird.
Drittens ist es hirnverbrannt und demagogisch, den Ausverkauf von Staatsbetrieben als »Sparen« und »Schuldenabbau« auszugeben. Ob Stromkonzerne oder Wasserbetriebe, Bundesbahn oder Lufthansa, Wohnungsgesellschaften oder Müllentsorger:Da sich die neuen Eigentümer natürlich eine goldene Nase verdienen wollen, wurde und wird mit der Privatisierung alles teurer. Der Staat entschuldet sich auf Kosten seiner Bürger – vom Qualitätsverlust einmal ganz abgesehen; schließlich gehen die Kosten für Instandhaltung und Sicherheit vom Profit ab.
»Es ist wie bei einer Familie«, schreibt Albrecht Müller, »die ihr Eigenheim verkauft, um Schulden zurückzuzahlen, und dann (vorerst) darin zur Miete wohnt.« 119
Hinzu kommt, dass es meist nicht oder nicht nur um die Ausplünderung des privatisierten Unternehmens geht. »Die Transaktionskosten sind in vielen Fällen das Motiv für die Privatisierung kommunaler Unternehmen und Einrichtungen«, denn: »Ein Segment der Plünderer verdient am Vorgang des Plünderns selbst … die begleitende Investmentbank, Broker an der Börse, PR- und Werbeagenturen, Wirtschafts- und Steueranwälte, Berater und dann auch noch die Medien. Man denke nur einmal an die vielen
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