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Die gepluenderte Republik

Titel: Die gepluenderte Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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sich auch ein Agitator der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, der Freiburger Finanzprofessor Bernd Raffelhüschen: »Wir brauchen eine neue Agenda 2010.«
    Damit ist klar, dass die sozial Schwachen sich »warm anziehen« können. Und selbst vor dem Tod macht der Neoliberalismus nicht halt. »Eine angemessene Beerdigung braucht eigenverantwortliche Vorsorge«, wirbt – oder droht? – die Barmer Ersatzkasse. 146
    Auch der Sozialbericht 2009 der Bundesregierung belegt einen gewaltigen Abbau des Sozialstaates. Betrug der Anteil der Sozialausgaben 2004 noch 31,52 Prozent, so lag er 2008 nur noch bei 28,96 Prozent. Bei gleicher Quote hätten dagegen fast 120 Milliarden Euro mehr für soziale Leistungen ausgegeben werden müssen, vor allem angesichts einer älter werdenden Gesellschaft und steigenden Zahlen bei Pflegebedürftigen, Arbeitslosen und Bedürftigen. Nominal stiegen in diesem Zeitraum die Sozialausgaben um 3,6 Prozent, das Bruttosozialprodukt jedoch um 12,7 Prozent, also um fast das Vierfache. 147
    Offenbar war die schwarz-rote Koalition darauf auch noch stolz: »Ab 2004 verminderte sich das Ausgabenwachstum bis 2007 deutlich auf rd. 0,4 % p. a. Dazu beigetragen hat der im Jahr 2004 zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beobachtete nominale Rückgang der Sozialleistungen. Dieser ist vor allem auf erhebliche Einsparungen in der gesetzlichen Krankenversicherung in Verbindung mit einer Nullrunde bei der Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung in Folge des Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzes zurückzuführen. In den Jahren danach setzte sich die verhaltene Ausgabenentwicklung in den Sozialversicherungssystemen weiter fort. Hierzu haben weitere Nullrunden bei der Rentenanpassung in den Jahren 2005 und 2006 als Folge der geringen Lohnentwicklung in den jeweiligen Vorjahrenbeigetragen. Trotz Einführung der neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende stiegen die Sozialausgaben im Jahr 2005 lediglich um 0,8 %. Den Mehrausgaben durch das neue Sicherungssystem standen Minderausgaben bei der Arbeitslosenhilfe, beim Wohngeld und bei der Sozialhilfe in ähnlicher Größenordnung gegenüber.«
    Kommentar der Partei Die Linke: »Nicht die demographische Entwicklung oder gar die Globalisierung sind schuld am Elend von Millionen Bürgern, sondern der von der Regierung geförderte Griff der Kapitalseigner in die Taschen der Ärmsten der Armen. Brutaler hat noch keine Regierung unser Grundgesetz und unsere humanistische Grundwerteordnung mit Füßen getreten.« 148
Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit
    Häufig gerät in Vergessenheit, dass laut Grundgesetz »alle Gewalt« nicht etwa von den Superreichen und ihren Politikern ausgeht, sondern »vom Volke«. Daher betrifft die Formulierung »geplünderte Republik« nicht in erster Linie die Staatsverschuldung an sich, zumal die aus durchaus unterschiedlichem Blickwinkel betrachtet wird: Die einen interessiert nur das Geld, die anderen die Lebensqualität. Dies ist frei nach Karl Marx der Unterschied zwischen Tauschwert und Gebrauchswert. Letzterer ist entgegen der Pseudomathematik der Neoliberalen nicht in Zahlen auszudrücken: Arbeitslosigkeit und zunehmend auch Kurzarbeit bedeuten Verlust an sozialen Kontakten, an Selbstwertgefühl und an »erfülltem Leben«. Man kann also auch die Seele eines Menschen ausplündern. Wesentliches Resultat von Hartz IV als »Armut per Gesetz« ist die Entwürdigung. Menschen, die nach 30 Arbeitsjahren wegen einer Firmenpleite ihren Job verlieren und nun vergeblich 20 Bewerbungen pro Tag losschicken, landen in einem Topf mittatsächlich asozialen Randgruppen, jener Spezies also, die sogar ein Karl Marx als »Lumpenproletariat« bezeichnet.
    Fest steht also: Auch wer arbeitswilligen Menschen das unausgesprochene, nicht gesetzlich verankerte und daher auch nicht einklagbare Recht auf Arbeit verunmöglicht, betreibt die Plünderung der Republik. Dies freilich lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Laut einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verlieren durch Kurzarbeit die Beschäftigten drei und die Betriebe fünf Milliarden Euro. Zudem muss die Arbeitsagentur weitere sechs Milliarden zuschießen. 149
    Nicht selten geistern dubiose Legenden über offene Stellen durch die Medien, auf die sich niemand gemeldet habe, um die Behauptung von den fast durchgängig arbeitsscheuen Hartz-IV-Empfängern zu »beweisen«. Dabei wird umgekehrt ein Schuh daraus. So beklagt die

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