Die gepluenderte Republik
Rodenstock, der Nähmaschinenhersteller Pfaff, die Strumpffabrik Kunert, der Modelleisenbahnbauer Märklin, der Autobahnraststättenbetreiber Tank & Rast oder die Textilkette Wehmeyer.
Heuschrecken erstreben den »Super-Return«, eine Verzinsung des Kapitals von 25 Prozent und mehr. Motto: »Buy it, strip it, flip it« – Kaufen, plündern, weg damit. Nach vier, fünf Jahren stoßen die Investoren ihre Beteiligungen wieder ab. Doch seit der Finanzkrise ist dieses Geschäft nicht mehr ganz so einfach. So berechnete die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, dass von Finanzinvestoren gekaufte Firmen in den nächsten zwei Jahren weltweit Darlehen von einer halben Billion Dollar, rund 350 Milliarden Euro, umschulden müssen.Dies dürfte viele Firmen in die Pleite treiben, denn seit der internationalen Bankenkrise sind Kredite sehr viel teurer geworden.
»Die Übernahmeparty ist vorbei, die Stimmung gekippt.« Auch Heuschrecken kommen nur noch schwer an Bankkredite. Sie müssen bei ihren Einkaufstouren deshalb mehr Geld aus der eigenen Tasche lockermachen – privates Kapital, genannt »Private Equity«, das sie etwa bei kanadischen Pensionskassen, englischen Versicherungen oder schwedischen Millionären zum Zwecke der Unternehmensbeteiligung eingesammelt haben.
Die Bilanz der Heuschrecken fällt ziemlich erschreckend aus. Ihre riskanten Strategien, die sie öffentlich als Selbstreinigungsprozess verstaubter Firmen verkaufen, kosten am Ende fast immer Arbeitsplätze. »Fabelrenditen«, sagt Johann Rösch, Arbeitnehmervertreter im damaligen Hertie-Aufsichtsrat, »las sen sich nur durch ein extrem hohes Risiko erzielen. Geht es schief, leiden immer die Beschäftigten.« Aber auch wenn alles gut läuft, muss in der Regel die Belegschaft bluten. Nach einer Studie der renommierten Harvard Business School in Boston beschäftigen Private-Equity-Gesellschaften zwei Jahre nach der Übernahme einer Firma sieben Prozent weniger Mitarbeiter als vergleichbare Unternehmen.
Professor Uwe Schneider, Direktor des Instituts für Kreditrecht an der Universität Mainz, ist nicht erstaunt, dass viele mit Private Equity finanzierte Firmen in der Krise als Erste ins Wanken geraten. »Eigenkapitalräuber« nennt er die gefräßigsten Heuschrecken wie KKR oder Blackstone: »Da fließt kein neues Kapital für Investitionen. Im Gegenteil: Sie saugen es aus den Unternehmen ab, um Kredite zu finanzieren und Sonderausschüttungen einzustreichen.«
Die Finanzinvestoren haben aus ihren Fehlern auf eigene Art gelernt: Wenn es mehr Pleiten gibt, dann versuchen sie eben daran zu verdienen. Derzeit legen sie Fonds auf, die Krediteangeschlagener Schuldner aufkaufen. Und sie stellen Beraterteams zusammen, die den Gestrauchelten gegen hohe Gebühren wieder auf die Beine helfen sollen. So lässt sich noch einmal bei Unternehmen kassieren, die schon kräftig ausgenommen wurden. Hauptsache, der Profit stimmt.
Fazit: Während echte und ehrliche Investoren – große oder kleine – eigenes Geld in einem Unternehmen oder in dessen Aktien anlegen, »investieren« die Heuschrecken fast ausschließlich gepumptes Geld. Und genau das macht die Investition zur reinen Zockerei. Man stelle sich vor, alle erwachsenen Bundesbürger würden – notfalls über die berüchtigten »Hausfrauenkredite« – geliehenes Geld in riskante Wertpapiere »investieren« und im Falle des Scheiterns den Weg der
Privatinsolvenz
gehen. Dann wären sie nach sechs Jahren wieder schuldenfrei – allerdings wäre unser Wirtschaftssystem schon vorher zusammengebrochen.
Der geplünderte Sozialstaat
Während es sich die Schönen und Reichen gut und besser gehen lassen, gerät unser Gemeinwesen immer tiefer in die Krise. »Sozialkassen droht 30-Milliarden-Euro-Defizit«, berichtet
Spiegel Online
schon am 1. August 2009. Nach »Berechnungen« der Marktradikalen vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) werde die Bundesagentur für Arbeit bis Ende 2010 ein Minus von rund 18 Milliarden Euro machen, die Krankenkassen von 10,5 Milliarden Euro. Wer sich die Elbschlösser von Blankenese und die Villen rund um den Starnberger See ansieht, ahnt natürlich, wo das dringend benötigte Geld geblieben ist. Aber dieser Saus und Braus ist die heiligste aller Kühe, und so fordert das RWI, die neue Regierung müsse einmal mehr die Normalbürger melken, also »in großem Stil Ausgaben kürzen, Beiträge erhöhen oder Steuergelderzuschießen«. 145 Ähnlich äußert
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