Die gepluenderte Republik
die Nutznießer sind in Wahrheit die Arbeitgeber: Ihnen werden nämlich die Lohnkosten abgenommen. Man fragt sich ohnehin, wann die ersten Großkonzerne nach dem Vorbild der Friseure nur noch drei Euro zahlen und dieAufstockung dem Staat überlassen – zumal es ja dem Arbeitnehmer egal sein kann, von wem er sein Geld erhält.
Da laut Statistischem Bundesamt derzeit 20 Prozent aller Arbeitnehmer oder 6,5 Millionen für Niedriglohn arbeiten, wird der Staat hier jährlich um Milliardenbeträge geplündert. Ein kleiner Tipp: Eröffnen Sie doch ein Callcenter mit 20 Mitarbeitern und bitten Sie den Staat, doch freundlicherweise die Lohnkosten zu übernehmen …
Lieber reich und gesund
Ein besonders perfider Akt der Ausplünderung ist die der Kranken und Pflegebedürftigen; dass wir uns an gewisse Absurditäten mit der Zeit gewöhnt haben, ändert nichts daran. Zum Beispiel die Praxisgebühr – 40 Euro im Jahr. »Ist doch ein Klacks«, tönt die Politik, aber wenn sie diese Summe als Erhöhung des Kindergeldes oder als Rentenerhöhung lockermacht, dann ist es plötzlich ein gigantischer Betrag. Ähnlich verhält es sich mit der Zuzahlung auf Medikamente. Natürlich gibt es Ausnahmen für Bedürftige: Aber erstens ist das Eingeständnis der Bedürftigkeit seit jeher ein beliebtes Mittel der Politik zur Demütigung, um die eigentlich Berechtigten von der Wahrnehmung ihrer Rechte und Ansprüche abzuhalten. Zweitens ist es ja auch eine Form des Schröpfens des Normalbürgers, ihm pro Rezept fünf Euro abzunehmen. Drittens werden zusehends mehr Arzneien gar nicht auf Rezept verschrieben, sondern müssen »eigenverantwortlich« und zu den Phantasiepreisen der Pharmakonzerne gekauft werden. So richtig die Idee sein mag, Simulanten und Hypochonder vom überflüssigen Arztbesuch und vom exzessiven Medikamentenmissbrauch abzuhalten: Die Praxis zeigt, dass umgekehrt viele kranke Menschen weder den Arzt aufsuchen noch sich die notwendigen Pillen, Salben oder Tropfen besorgen. Dass dann aber die Kassen seitder Gesundheitsreform 2009 auch noch umso mehr kassieren, je kränker ihre Patienten dastehen, rundet das Bild der gnadenlosen Abzocke nur noch ab. Dass die Kassen aber ihrerseits jeden Cent zweimal umdrehen und daher zumindest gesetzlich Versicherte für schlechtere Leistungen mehr zahlen müssen, liegt auf der Hand. 153
»Ärzte und Krankenkassen plündern den Gesundheitsfonds«, resümiert
Spiegel Online.
Millionen Versichertendaten würden laut Leitfaden für AOK-Mitarbeiter unter dem Aspekt der »Erlösoptimierung« geprüft. Ideal seien Krankheiten mit niedrigen Behandlungskosten, aber hohen Zuschlägen aus dem Gesundheitsfonds.
So bringt die Diagnose »psychische Verstimmung« keinen Zuschuss aus dem Gesundheitsfonds, die aus Sicht des Arztes ähnliche »leichte depressive Episode« aber 1000 Euro im Jahr. Eine »dissoziative Störung« bringt fast 2000 Euro und eine »bipolare affektive Störung« gar über 3400 Euro.
Schon jetzt ist laut
Spiegel
absehbar, dass sich künftig nur noch wenigen Menschen gar keine Krankheit anhängen lasse. So kämen in Berlin auf 100 Versicherte statistisch bereits 97 »finanziell interessante« Krankheiten, wobei einige Betroffene mehrere davon hätten. 154
Und der Schmu nimmt System an: So zahlt die AOK Bayern den Ärzten doppeltes Honorar. »Als Gegenleistung«, heißt es in einem Brief an die Ärzte, »bitten wir Sie nochmals, eine entsprechende Codierung bei den AOK-Patienten vorzunehmen«. Auf Wunsch schickt die Kasse sogar ihre Experten vorbei, die Ärzten bei der Codierung von Krankheiten am Praxiscomputer helfen. Diese »Win-win-Situationen« für Mediziner und Versicherer sind für Norbert Klusen von der Techniker Krankenkasse »massive Fehlanreize«.
Und selbst der Chef der Hanseatischen Krankenkasse (HEK), Jens Luther, war »geradezu fassungslos, als er feststellte, dasssein Arzt bei ihm plötzlich die chronische ›Ösophagitis‹, außerdem Reflux und andere Erkrankungen der Speiseröhre diagnostizierte, obwohl er nur unter leichtem Sodbrennen litt. Dem Kassenchef allerdings kann’s nur recht sein. Seine »Krankheit« bringt der HEK jährlich 912 Euro aus dem Gesundheitsfonds ein.
Extremstes Beispiel aber dürften jene Augenärzte sein, die insgesamt über 10 000 HIV-Infizierte meldeten, die meisten über 65. Sogar die über 80-jährige Mutter eines Kassenmanagers soll sich noch angesteckt haben. Schuld soll übrigens eine fehlerhafte Software sein, der Hersteller sprach
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