Die gepluenderte Republik
gar, jetzt fehle dem Finanzkapital das Geld für Kredite an Quickborner Unternehmen. Ein wenig dreist angesichts der von den Banken veranstalteten Kreditklemme. Und ist der BaFin sonst alles ein Dorn im Auge, was die Profite der Geldinstitute beschneiden könnte – Heuschrecken konnten jahrelang schalten, walten und absahnen, wie sie wollten –, geht der Finanzaufsicht ein Bürgerengagement natürlich zu weit. DasKreditgeschäft sei genehmigungspflichtig, und wenn Bürgermeister Köppl noch mehr Geld einsammeln wolle, müsse er entsprechende Anträge stellen. 141
5. Das Plündern der Lebensqualität
Dass der »Sachzwang zur Globalisierung« und der damit verbundene Abbau des Lebensstandards unter die Gattung der neoliberalen Fabeln fällt, erweist sich besonders eindrucksvoll an der UNO-Rangliste zur Lebensqualität. Deutschland als eines der reichsten Länder der Erde liegt hinter ob ihres Lebensstandards überheblich belächelten Staaten wie Island, Irland oder Spanien auf Platz 22. Auch für das andere Land, an dessen Wesen die Welt notfalls mit Gewalt genesen soll, die USA, sieht’s mit Rang 13 kaum weniger blamabel aus. 142
Weltrangliste der Vereinten Nationen
1. Norwegen
13. USA
2. Australien
14. Österreich
3. Island
15. Spanien
4. Kanada
16. Dänemark
5. Irland
17. Belgien
6. Niederlande
18. Italien
7. Schweden
19. Liechtenstein
8. Frankreich
20. Neuseeland
9. Schweiz
21. Großbritannien
10. Japan
22. Deutschland
11. Luxemburg
23. Singapur
12. Finnland
24. Hongkong
Nummer eins in der EU ist Deutschland dagegen laut Forbes-Liste mit neun Milliardären unter den 100 reichsten Menschen der Welt.
Dass es dem Volk eines der reichsten Länder der Welt eher mittelmäßig bis schlecht geht, wirft ein Schlaglicht auf die Marktwirtschaft. Der große deutsche Philosoph Ernst Bloch beschreibt die Logik so: »Da es nicht für alle reicht, springen die Armen ein.« 143 Damit die Reichen perspektivisch überhaupt keine Steuern mehr zahlen müssen – die in der alten Bundesrepublik üblichen Steuern auf Erbschaft und Vermögen gelten ja vielen Jungkarrieristen der Volksparteien als stalinistischer Planwirtschaftsterror –, müssen Renten und Hartz IV ebenso herhalten wie die Förderung ehrlich arbeitender Menschen.
Nun stehen aber Sätze wie »Jeder muss sehen, wo er bleibt«, »Den letzten beißen die Hunde« oder »Alle gegen alle« entgegen der Überzeugung mancher Politiker gerade nicht im Grundgesetz: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, heißt es in Artikel 1. »Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« Dass jemand, dessen Ahnen im Zusammenhang mit dem Holocaust steinreich geworden sind, anderer Meinung und auf das Bewahren und Mehren seines ererbten Verbrechervermögens bedacht ist, mag menschlich verständlich sein. Dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung aber – jeder an seinem Platz – nicht dafür arbeitet, dass jugendliche Milliardenerben sich ihre Cohiba mit 100-Euro-Scheinen anzünden, liegt ebenfalls auf der Hand.
Heuschrecken – die Plünderweltmeister
In grauer Vorzeit galt Auto-Teile-Unger (ATU) als ein Vorzeigebetrieb. Unternehmensgründer Peter Unger flanierte durch die Zentrale in Weiden (Oberpfalz) oder die Werkstätten und hatte für jeden Mitarbeiter ein freundliches Wort. »Fördernund fordern, so einfach funktionierte sein Management.« 144 An der rosigen Zukunft hatte Unger keinen Zweifel: »A Birnl, a Rücklicht, a Lackspray – des braucht ma doch immer!«
Doch dann ritt ihn der Teufel, und er verkaufte ATU an einen Finanzinvestor. 2004 stieg dann die US-Firma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) ein, »die Mutter aller ›Heuschrecken‹«, wie der damalige SPD-Chef Frank Müntefering 2005 geurteilt hatte. Sie interessierten sich wenig für Birnl und Lackspray, klopften keine Schultern, wollten nur Rendite. Den Kaufpreis, 1,45 Milliarden Euro, bürdeten sie nach Heuschreckenmanier zum Großteil ATU selbst auf – das Unternehmen musste sich entsprechend verschulden und geriet prompt in Schwierigkeiten. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s stufte ATU auf »CCC+« herunter – das Prädikat für Pleitekandidaten. KKR musste 140 Millionen Euro nachschießen, um eine peinliche Pleite zu verhindern.
Kein Einzelfall: Auch andere deutsche Firmen, die von Heuschrecken übernommen wurden, bekamen Probleme, so etwa die Kaufhauskette Hertie, die Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 Media AG, der Modemacher Hugo Boss, der Brillenproduzent
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