Die gepluenderte Republik
Bundesagentur für Arbeit, dass viele Unternehmen Hartz-IV-Empfänger von vornherein aussortieren.
Übrigens steht die Politik bei der »Hetze gegen die Arbeitslosen«
(Berliner Zeitung)
in der ersten Reihe. »Es ist der immer wieder von Politikern erhobene Pauschalvorwurf«, schreibt Regine Zylka, »sie missbrauchten Steuergelder und machten es sich bequem. Das ist keine Arbeitsmarktpolitik, sondern sozialpolitische Hetzerei.« 150
Mit in vorderster Front ist zuweilen auch der Bundesrechnungshof. »Schlechte Betreuung von Arbeitslosen, teure Mängel bei Ein-Euro-Jobs«, kommentiert
Spiegel Online
schon im Juli 2008 einen Bericht der obersten Finanzprüfer über die Job-Center: »Die Kritik ist vernichtend.« Und natürlich geht es nach der traditionellen deutschen Methode »nach oben buckeln, nach unten treten« wieder gegen die vermeintlich oder tatsächlich Schwächsten der Gesellschaft. »Extremen Missbrauch« gebe es bei den Ein-Euro-Jobbern: Bei zwei Dritteln der geprüften Maßnahmensei mindestens eine Voraussetzung zur Förderung nicht erfüllt gewesen. Dennoch habe man dafür über eine Milliarde Euro ausgegeben. Die Rechnungshöfer hatten ihre Erkenntnisse aus Untersuchungen der Job-Center in Berlin, Hannover, Köln, München und Stuttgart. Die Aufgaben von Ein-Euro-Jobbern müssten zusätzlich zu bestehenden Jobs erledigt werden und im öffentlichen Interesse liegen. »Im Pflegebereich zum Beispiel dürften sie nicht als Pfleger eingesetzt werden«, meinte Rechnungshof-Sprecherin Christine Rabenschlag. Vorlesen hingegen sei eine Aufgabe, die in ihren Tätigkeitsbereich fallen könnte.
Wer diesen gequirlten Gedankenmüll für etwas anderes als Zynismus oder unfreiwilligen Humor hält, dem sei es unbenommen.
Die Wahrheit über das vermeintlich »arbeitsscheue Gesindel« sieht dagegen anders aus: Hartz-IV-Empfänger warten im Schnitt neun Wochen auf ein sogenanntes qualifiziertes Erstgespräch bei einem Vermittler. Dann dauert es laut Rechnungshof im Schnitt noch einmal 16 Wochen, bis eine schriftliche Vereinbarung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt unterzeichnet ist. In jedem dritten Fall wurde überhaupt keine Vereinbarung geschlossen.
Die Betreuung von Langzeitarbeitslosen sei ebenfalls unter aller Kanone: In jedem dritten Fall hätten die Vermittler in den vergangenen drei Monaten des Bezugs von Arbeitslosengeld I die weitere Beratung eingestellt. Von der letzten Beratung bis zum ersten Gespräch bei den Hartz-IV-Stellen vergingen durchschnittlich 139 Tage.
Grund für das miserable Resultat ist laut Bundesrechnungshof vor allem die Mischverwaltung im Kontrollsystem. Einerseits seien Bund, Länder und Kommunen für die Aufgaben der Job-Center zuständig, andererseits werde die Finanzierung vorwiegend vom Bund getragen. Es sei »problematisch, wenn derBund nur eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten über die von ihm finanzierten Leistungen hat« 151 . Auf Deutsch: Was kümmern uns die milliardenschweren Steuerhinterzieher, wenn wir den Ärmsten der Armen nachweisen können, dass ihnen ein Wintermantel gar nicht zusteht.
Auf eine besonders perfide Ausplünderung des Sozialstaats durch die Wirtschaft wies der Präsident des Sozialverbands VdK, Walter Hirrlinger, bereits 2005 hin, nämlich auf die Belastung der Rentenkassen durch die zahlreichen Entlassungen. Immer mehr Konzerne würden auf Kosten der Beitragszahler und Rentner Tausende Beschäftigte auf die Straße setzen und so ihre Dividenden erhöhen. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass für Altersteilzeit und Frühverrentung die Unternehmen aufzukommen hätten. Für die Sanierung der Konzerne müsse vor allem die Rentenkasse herhalten. Die Folge seien höhere Beitragssätze und Kürzungen der Altersbezüge für die Senioren.
Hirrlinger forderte, dass die Unternehmen künftig die Kosten für die Entlassungen finanziell alleine zu tragen hätten. »Mit dieser Plünderung der Sozialkassen versündigen sich die Arbeitgeber an der Gesellschaft.« Es sei längst an der Zeit, einen zusätzlichen Solidaritätszuschlag von den Unternehmen zu verlangen. Mit diesem Extra-Soli wären sie dann auch an den Kosten der versicherungsfremden Leistungen beteiligt. Die Politik müsse ein Stoppzeichen setzen und dürfe nicht weiter tatenlos zusehen, wie sich die Konzerne mit den Geldern der Beitragszahler sanierten. 152
Ein noch größerer Plünderungscoup sind Kombi- und Niedriglohn. In beiden Fällen ergänzt der Staat die Einkommen der Arbeitnehmer, aber
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