Die geraubte Braut
Umgebung wieder auftauchen. jetzt sahen sie ihn mit einer Mischung aus Anklage und Furcht an, und er verwünschte sich als kurzsichtigen Idioten. Portia war für ihr Leben ebenso unabdingbar geworden wie für seines. In seinen eigenen Kummer versunken, hatte er nicht gesehen, wie seine Söhne unter ihrer plötzlichen und unerklärten Abwesenheit litten.
Um nun seinen Kindern eine Antwort geben zu können, musste er sich der Frage stellen, die er in der letzten Woche verdrängt hatte. Er konnte Portia nicht ewig eingesperrt halten. Was also sollte er tun?
»Ich weiß es nicht«, hörte er sich sagen und fast geistesabwesend seine eigene Frage und nicht jene Tobys beantworten.
Die Buben starrten ihn ungläubig an. »Wo ist sie?« wiederholte Toby mit einer merkwürdig erwachsenen Anwandlung von Geduld, als glaubte er, sein Vater hätte ihn nicht richtig verstanden.
»Wann kommt sie zurück?« fragte Luke mit bebender Stimme und sah seinen Vater eindringlich an.
»Ich weiß es nicht genau«, sagte Rufus, der sich zu einem beruhigenden Ton zwang. »Sie hat einiges zu tun.«
»Aber sie hat uns gar nicht Lebewohl gesagt. Ich dachte, sie würde ganz bestimmt hier sein«, beharrte Toby mit derselben sonderbaren Reife.
»Sie musste plötzlich fort und wollte euch nicht wecken«, sagte Rufus ungeduldig. »Das habe ich schon erklärt. jetzt werdet ihr ein paar Tage bei Mrs. Beldam bleiben, deshalb beeilt euch und sucht zusammen, was ihr mitnehmen wollt.«
Zu Portia hatte er zwar entrüstet gesagt, er würde seine Kinder nie in der Obhut einer Bordellmutter lassen, doch während er sie auf dem relativ ruhigen Schauplatz einer Belagerung bei sich haben konnte, war dies auf einem Schlachtplatz ausgeschlossen, zumal Rufus sich über den bevorstehenden Kampf keine Illusionen machte. Prince Rupert war zwar überzeugt von der Schlagkraft der Königstreuen und hielt die Zeit für gekommen, eine Entscheidung zu erzwingen. Aber Rufus argwöhnte, nein, er wusste, dass Rupert in einem Irrtum gefangen war. Die Truppen des Königs waren einer Entscheidungsschlacht nicht gewachsen, und ihre Niederlage bedeutete, dass der König sich dem Parlament beugen musste.
Seine kurze Bekanntschaft mit Prince Rupert hatte ihn davon überzeugt, dass es diesem ungeachtet seiner Verdienste als Oberbefehlshaber an Besonnenheit und Logik mangelte. So wäre es vernünftig gewesen, die Belagerung von Castle Granville bis zum Ende durchzuhalten. Sie kurz vor dem Erfolg aufzugeben war voreilig und für die Truppenmoral katastrophal.
Da die Königstreuen seit dem Winter nur Niederlagen erlitten hatten, war ein überzeugender Sieg bitter nötig, und die Einnahme von Castle Granville hätte ihnen diesen geliefert. Rufus wusste, wie entmutigt die Truppen des Königs waren, aber Prince Rupert weigerte sich beharrlich, dies zur Kenntnis zu nehmen. Rufus hatte keine andere Wahl, als sich den Entscheidungen seines Oberbefehlshabers zu beugen, ob er sie für richtig hielt oder nicht, da er im Moment auf Seiten des Königs war und dem Kommando Prince Ruperts unterstand. Aber wenn diese Schlacht geschlagen war und er sie unversehrt überlebte, würde er seine Position gründlich überdenken müssen.
Es hatte ihn zutiefst getroffen, Catos Festung den Rücken kehren zu müssen und ihm so knapp vor der Einnahme den Triumph zu überlassen! Aber Rufus war mehr denn je davon überzeugt, dass die entscheidende Konfrontation nicht lange auf sich warten lassen würde. Er spürte, dass sie in der bevorstehenden Schlacht auf dem Feld aufeinandertreffen würden …
»Verzeiht, Sir …?«
Josiahs Stimme, die fast entschuldigend klang, riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich mit einem Begrüßungslächeln um.
»Gewährt Ihr mir ein Gespräch unter vier Augen, Mylord?«
Rufus war darauf gefasst, dass er gleich nach seiner Ankunft mit Josiah über seine Gefangene sprechen würde. »Natürlich.« Er deutete auf die Treppe. »Kinder, sucht eure Sachen zusammen. Bill fährt mit euch im Karren los, sobald ihr fertig seid.«
»Wir sind fertig«, erklärte Toby anklagend. »Seit damals, als Portia noch da war … vor der Belagerung. Da hatten wir schon alles gepackt.«
»Hier ist nichts mehr, was wir wollen«, warf Luke ein und stieß mit dem Kopf gegen die Knie des Vaters.
»Dann geht hinaus und spielt.« Rufus trieb die Buben energisch zur Tür hinaus, trat wieder ein und schloss die Tür. Er lehnte sich dagegen, ohne dem Protestgeschrei Beachtung zu schenken. »Also,
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