Die geraubte Braut
Ihr schon?«
Portia hob den Kopf vom Eimer und wischte sich, auf den Fersen kauernd, den Mund mit dem Taschentuch ab. »Woher weißt du es?«
Josiah zuckte mit den Achseln. »Ach, das ist doch klar, wenn ein Mädel täglich erbricht. Also, wie weit seid Ihr?«
Portia richtete sich auf. Josiah war der einzige Mensch, den sie zu sehen bekam, der einzige, dem sie sich anvertrauen konnte. »Es ist mir sehr peinlich, aber ich bin nicht sicher. Ich weiß nicht mehr, wann ich zuletzt meine Tage hatte.«
Josiah stellte den Topf mit dem Porridge auf den Tisch. »Nach den ersten drei Monaten ist es mit der Übelkeit meist vorbei.«
»Ich werde also danach nicht mehr erbrechen?« Portia war nur zu gern bereit zu glauben, dass Josiah sich auf diesem Gebiet auskannte.
»Bei den meisten hört es auf«, erklärte er. »Bei anderen wiederum nicht.«
»Ich gehöre vermutlich zu denen, bei denen es anhält«, prophezeite sie düster. Sie reckte und streckte sich in dem beengten Raum, voller Neid auf Juno, die sich draußen austoben konnte. Josiah sorgte dafür, dass der Hund dreimal täglich Auslauf hatte. Aber Juno kann ihre Notdurft auch nicht in einem Eimer verrichten, dachte sie in einem Anflug von Galgenhumor.
»Weiß es der Herr?« fragte Josiah und sperrte Portias Zelle auf.
»Als ich meiner Sache sicher war, ergab sich nie der richtige Zeitpunkt, es ihm zu sagen.« Portia kam mit einem Seufzer der, Erleichterung aus der Zelle. Die fünf Tage, die sie in dieser Enge verbracht hatte, machten sich unangenehm bemerkbar. In ihren Beinen zuckte es vor Verlangen nach Bewegung; ihre geballte Energie verhinderte, dass sie im Schlaf Entspannung fand; und ihr Verstand kochte schier über vor Wenn und Aber.
»Josiah, könnte ich bitte ein Stück am Ufer entlanglaufen? Ich gebe dir mein Wort – mein Ehrenwort, dass ich zurückkommen werde.«
Josiah war nicht wohl dabei zumute. »Ich weiß, aber ich habe andere Befehle.«
Portia war ratlos. Der Rufus, den sie zu kennen glaubte, hätte sie nie dieser Einschränkung unterworfen. Sie konnte verstehen, dass er seine Befehle im Zorn gegeben und es verabsäumt hatte, die Einzelheiten ihrer Haft festzulegen. Vielleicht aber auch nicht. Gut möglich, dass er genau dies beabsichtigt hatte. Er hatte sie vor der Bestrafung als Spionin gerettet und ihr seine Strafe auferlegt, die sehr viel gnädiger ausfiel, aber immer noch schlimm genug war.
»Vielleicht könnte ich -« Josiah wurde durch das laute Gequäke eines Dudelsackes unterbrochen. Trotz der Entfernung zum Dorf war von dort etwas zu hören – Laufschritte, Rufe.
»Was ist?« Portia ging an das vergitterte Fenster. Ihr Puls raste. Sie spürte die Antwort mit allen Fasern ihres Seins. Rufus war zurück.
»Ich sehe nach. Esst Euer Porridge, dann komme ich wieder.« Josiahs Geschlürfe war schneller als sonst, als er zur Tür ging und einen Hauch der frischen, morgendlichen Sommerluft einließ, der in Portia das schmerzliche Verlangen nach Freiheit weckte.
Die Tür fiel laut ins Schloss, der Riegel wurde vorgeschoben.
Sie aß ihr Porridge ohne Appetit. Ihre Untätigkeit dämpfte den Hunger, und ihr Speiseplan war zu eintönig, um ihn anzuregen. Doch sie war sich des Lebens bewußt, das in ihr wuchs. Ein Leben, das für ihr eigenes von großer Bedeutung war. Sie lebte für dieses Kind. Ihre Lungen atmeten für das Kind. Es war, als ginge ihr Körper unbewusst in der Erhaltung eines Lebens auf, das seine eigene Bedeutung und seine Bedürfnisse noch nicht entdeckt hatte. Sie und das Kind in ihrem Schoß waren eins.
Die Tätigkeit des Essens wirkte beruhigend auf sie. Die Geräusche jenseits der Kerkermauern hatten sich geändert. jetzt war Pfeifen und Trommeln zu hören, Marschtritte und alle anderen Kennzeichen des militärischen Drills, der im Militärlager eines Geächteten normalerweise herrschte.
Rufus Decatur war jedoch kein Wegelagerer, kein Geächteter mehr. Er war der rechtmäßige Earl of Rothbury, der für seinen König kämpfte, und Portia Worth war eine Verräterin, der er Unterschlupf gewährte. Was immer ihn hierhergeführt hatte, offiziell würde er ihre Anwesenheit ignorieren müssen, aber heimlich würde er sicher kommen und mit ihr sprechen oder ihr zumindest durch einen seiner Vertrauten eine Nachricht zukommen lassen.
Junos kurzes Gekläff vor der Tür kündigte Josiahs Kommen an, da der Hund ihm stets vorauslief. Juno sprang begeistert an Portia hinauf, als hätte sie sie wochenlang nicht gesehen.
»Ja …
Weitere Kostenlose Bücher