Die geraubte Braut
kommt Ihr?« fragte er in neutralem Ton.
»Aus Edinburgh«, sagte sie tonlos.
»Cato hat Euch holen lassen?«
»Was geht Euch das an?« sagte sie unfreundlich und schob den Schemel zurück. »Welches Interesse könnt Ihr daran haben?«
»Alles, was Cato tut, ist für mich von Interesse«, gab er gelassen zurück. »Setzt Euch und esst Eure Suppe auf. Was nützt es, wenn Ihr verhungert?«
»Ach, an Hunger bin ich gewöhnt«, sagte sie verbittert und ging zur Tür. »Ich werde doch nicht dasitzen und meinen Onkel feige um eine Schüssel Suppe verraten.« Eisige Luft fegte ins Haus, als sie die Tür öffnete, um sie gleich darauf hinter sich zuzuknallen.
Rufus fragte sich, wie lang es dauern würde, bis sie merkte, dass sie in ihrem Zorn ihren Mantel vergessen hatte.
»Was hat das Mädchen?« Annie stellte Schweinebacke und einen Teller Rüben auf den Tisch. »Isst sie oder nicht?«
Zu seiner Verwunderung stellte Rufus fest, dass er nicht gewillt war, die wenig entgegenkommende Mistress Worth den Folgen ihres Eigensinns zu überlassen.
»ja, sie wird aufessen.« Er stand auf und ging zur Tür. Portia war an der Gartentür stehengeblieben. Da sie wusste, dass Freddy ihr ohne Rufus' Zustimmung das Pferd nicht geben würde, suchte sie angestrengt nach einer Lösung.
Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass Jack Worths Tochter trotz ihrer Jugend sehr besonnen und vernünftig war. Sie hatte etwas an sich, das ihn beunruhigte und anrührte, so wie sie dastand und ihren zarten Körper dem von neuem einsetzenden Schneegestöber preisgab. Ihr leuchtendes Haar trug eine weiße Schicht, und als sie den Kopf wendete, weil sie seinen Schritt hörte, waren ihre Züge abogehärmt und angespannt.
»Portia.« Er ging auf sie zu, die Arme gegen die Kälte verschränkt. »Keine weiteren Fragen. Kommt ins Haus.«
»Ich nehme an, Ihr wisst alles, was Ihr wissen müsst.«
»Nein«, sagte er offen. »Ich werde niemals alles, was ich über Cato Granville wissen müsste, in Erfahrung bringen. Aber ich möchte, dass Ihr hereinkommt und aufesst.«
»Ich komme nicht ins Haus, während man mit den Leuten meines Onkels Schindluder treibt.«
Rufus riss plötzlich der Geduldsfaden. Er hatte getan, was er konnte, hatte gelockt und geschmeichelt, um eine verdammte Granville vor leerem Magen und einer Ohnmacht zu bewahren.
»Wie Ihr wollt.« Er machte kehrt und ging ins Haus, um den Mantel vom Haken neben der Tür zu nehmen und ihn ihr den Pfad entlang zuzuwerfen. Dann trat er zurück in die Wärme und schloss die Tür.
Portia lief rasch um ihren Mantel, ehe er auf dem schneebedeckten Boden nass werden konnte. Die Flocken fielen nun schwer und dichter. Sie hüllte sich ein und ging zielstrebig um das Haus herum, den Hufspuren nach. Es musste einen Stall geben, und in Stallungen war es um vieles wärmer als im Freien.
Hinter dem Haus stand ein fester Schuppen. Vier Pferde, zwei davon Zugtiere, füllten den kleinen Raum mit dampfendem Atem und sattem Pferdegeruch. An der Wand hing Zaumzeug, ihr eigener Sattel lag auf einem Querbalken.
Der junge war nirgends zu sehen. Was konnte sie daran hindern, ihr Pferd zu satteln und loszureiten? Nachdenklich stand sie da. War die Flucht so einfach? Sie hatte nichts zu verlieren, wenn sie es versuchte.
»Komm, Patches.« Sie führte ihren Buntschecken rücklings aus der Box. Das Tier drehte den Kopf und wieherte, als es den Schnee durch die offene Tür roch. »Entschuldige, aber wir müssen ins Freie.« Sie hob den Sattel vom Balken und warf ihn dem Pferd über. »Auch wenn wir den Sergeanten und seine Männer nicht finden, muss es in dieser gottverlassenen Gegend doch einen Ort oder ein paar Häuser geben, wo man den Granvilles freundlich gesinnt ist.«
Ihre Finger wurden trotz der Handschuhe taub vor Kälte, so dass das Satteln und Aufzäumen länger dauerte, als ihr lieb war. Schließlich hatte sie es geschafft, schwang sich in den Sattel und, ritt den Schecken aus dem Stall.
Auf dem kleinen eingezäunten Hinterhof gab es einen Brunnen, einen Hühnerstall und Kaninchenställe. Sie ritt auf ein Gatter zu, das sich auf ein Feld öffnete, da sie annahm, dass sie dann parallel zur Straße weiterreiten konnte. Ihr Herz klopfte heftig. Alles war viel zu einfach. Warum sollte Rufus Decatur sie entführen und dann ihre Flucht nicht verhindern?
Es war wirklich zu einfach. Als sie sich bückte, um das Gatter zu öffnen, erschien der Earl of Rothbury an der Hintertür des Hauses, seinen Humpen in einer
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