Die geraubte Braut
von den eingemachten Pilzen und Nieren, trank ihr Ale und setzte beherrscht ihr Frühstück fort.
Cato, der seine kleinen Töchter liebte, momentan aber von anderen Dingen beansprucht war und wenig Zeit für sie hatte, konnte verstehen, dass weibliche Wesen dem ersten Lächeln eines Kindes besondere Bedeutung beimaßen. Er ließ den Blick wohlwollend über die streitlustige Tischrunde wandern und bemerkte, während er sich mit Rinderlende bediente: »Gewiss sagt dir das Leben auf Castle Granville zu, Portia.«
»Ich bin Euer Lordschaft für Eure Gastfreundschaft sehr dankbar«, erwiderte Portia.
»Ich nehme an, dass du dich angenehm beschäftigst.«
Portia sah kurz zu Diana hin, ehe sie sagte: »Höchst angenehm, Lord Granville.«
»Sehr gut«, sagte er knapp. Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet. Er zog ein Bündel Briefe aus seiner Tasche. »Ein Brief von deinem Vater, meine Liebe«, sagte er zu Diana. »Und einer von deiner Schwester Phoebe an Olivia, glaube ich.« Er lächelte seiner Tochter zu, als er ihr das versiegelte Schreiben überreichte. Olivia strahlte immer, wenn sie einen Brief von Dianas Schwester bekam.
Portia sah Olivias Freude, als diese das Siegel brach, und wartete voller Ungeduld, etwas vom Inhalt zu erfahren. Phoebe war ihr als ziemlich rundliches und erfrischend offenes Mädchen in Erinnerung geblieben. Sie sah ein weiches, hübsches Gesicht mit hellblauen Augen vor sich, das von einer Haarflut von der Farbe des Sommerweizens umrahmt wurde. Sie hätte zu gern gewusst, wie Phoebe sich in den drei Jahren seit der Begegnung im Bootshaus verändert hatte.
Cato brach das Siegel des an ihn gerichteten Briefes und reagierte sofort mit ärgerlichem Stirnrunzeln. Das Schreiben kam von seinem Stiefsohn Brian Morse, dem Sohn seiner ersten Frau Elizabeth. Er hatte seinerzeit mit der um ein Jahr älteren Witwe eine Vernunftehe geschlossen, in die sie einen zehnjährigen Sohn mitbrachte.
Die Ehe hatte ein knappes halbes Jahr gedauert, dann war Elizabeth einem Typhusfieber erlegen. Nach dem Tod der Mutter war der junge bei der Familie seines verstorbenen Vaters aufgewachsen. Cato hatte ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, bis der junge Mann vor ein paar Jahren auf Castle Granville aufgetaucht war und die Gastfreundschaft seines Stiefvaters in Anspruch genommen hatte, nachdem er wegen hoher Spielschulden in Oxford von der Universität geflogen war und die Familie seines Vaters sich weigerte, ihn aufzunehmen.
Cato konnte Brian Morse nicht ausstehen. Der junge, recht gutaussehende Mann war liebenswürdig und amüsant, ein guter Sportsmann, in den Artigkeiten eines Edelmannes bewandert und zudem in Erwartung eines stattlichen Erbes. Cato aber spürte eine gewisse Verschlagenheit und Unaufrichtigkeit an ihm.
Und jetzt schrieb Brian ihm, dass sein Weg ihn zur Armee der Royalisten im Norden führen würde und er Castle Granville bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit aufzusuchen gedenke. Ihm war offenbar noch nicht zu Ohren gekommen, dass sein Stiefvater sich gegen den König gewendet hatte.
Cato faltete das Pergament zusammen und blickte auf. Diana war erbleicht, und ihre langen Finger, die den Brief ihres Vaters hielten, bebten leicht.
»Ist etwas passiert, Madam? Ist Euer Vater erkrankt?«
»Ich weiß es nicht«, gab Diana zurück.
»Darf ich den Brief sehen?« Schon streckte er die Hand danach aus, da seine Frage purer Höflichkeit entsprang. Ein Mann hatte das Recht, die Korrespondenz seiner Frau zu lesen. Diana reichte ihm das Blatt, und er las es schweigend, da er sofort begriff.
Sein Schwiegervater wurde offenbar auch von Zweifeln an der gottgewollten Rechtmäßigkeit der Sache des Königs geplagt. Noch hatte er sich nicht für das Parlament entschieden, doch hatte er sich vorerst vom königlichen Hof in Oxford zurückgezogen, um mit sich zu Rate zu gehen. Arme Diana! Als glühende Parteigängerin des Hofes und Anhängerin von König Charles und Königin Henrietta Maria hatte sie sich kaum von dem Schock erholt, den die Entscheidung ihres Mannes bedeutete. jetzt musste sie sich auch noch mit dem Gesinnungswandel ihres Vaters abfinden.
Er reichte Diana kommentarlos den Brief zurück und sagte nüchtern: »Und wie geht es Phoebe, Olivia?«
Olivia gab den Brief sofort ihrem Vater, der ihn rasch überflog. »Nicht leicht zu lesen, aber Phoebe freut Sich, dass sie Oxford und dem königlichen Hof den Rücken drehen kann«, bemerkte er.
»Meine Schwester hat nie auch nur eine Spur
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