Die geraubte Braut
beherrschten Zorns war von ihm gewichen. »Ich habe einen Plan, so gemein und tückisch wie Cato Granville selbst.« Er fasste nach seinem Humpen und leerte ihn, ehe er nach einem Tonkrug auf dem Bord griff und ihn gegen seine Schulter drückte, um den Korken mit seinen starken weißen Zähnen herauszuziehen.
»Bist du Manns genug dafür, Will?« Er bewegte den Krug vielsagend, und sein Ton war scherzhaft, Will aber hatte das Gefühl, dass die Frage sich nicht allein auf den schottischen, aus Malz und Gerste gebrannten Trunk bezog, der so gehaltvoll war, dass er einen Mann binnen einer Stunde unter dem Tisch landen ließ.
Er schob seinen Humpen hin, und Rufus füllte ihn zur Hälfte. »Du brauchst noch ein paar Jahre auf dem Buckel, ehe du mehr verträgst, Junge«, sagte er und hockte sich auf die Tischkante. Dann nahm er einen tiefen Schluck aus dem Krug, ehe er ihn neben sich hinstellte. »Also, was könnte Cato Granville besitzen, das ihm kostbarer ist als alles andere?« Er zog eine buschige rote Braue hoch.
Will nippte vorsichtig. »Ich weiß es nicht. Wer kann das wissen?«
»Er hat eine Tochter«, murmelte Rufus sinnend. »Tatsächlich hat er drei Töchter, glaube ich. Hat er nicht auch eine schöne Frau?« Wieder sah er Will fragend an.
Will spürte eine gewisse Benommenheit, die aber nicht allein dem Trunk zuzuschreiben war. Rufus schien in Rätseln zu sprechen. Er selbst schwieg still und behielt seinen Vetter wachsam im Auge.
Rufus griff abermals nach dem Krug. »Es ist ganz einfach, junge. Cato wird mir die Rothbury-Einkünfte im Gegenzug für seine älteste Tochter ausliefern.« Er führte den Krug an den Mund, während Will ihn entgeistert anglotzte, da ihm endlich aufging, was Rufus vorhatte.
»Eine Entführung … du würdest das Mädchen als Geisel nehmen und gegen Lösegeld freigeben.«
»Genau.« Rufus setzte den Krug ab und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Im Austausch für Rothbury, für die Einkünfte aus meinem rechtmäßigen Erbe. Sein Vater übte an meinem um dieser Einkünfte willen Verrat, und nun will ich mit einem Einsatz darum schachern, den er nicht zurückweisen kann. Sie gehören mir, Will«, zischte er mit gezügelter Wildheit. »Mir. Und ich werde nicht dulden, dass sie von einer Granville-Ratte für deren Zwecke benutzt werden.«
Will trank und verschluckte sich prompt. Er klappte vornüber zusammen, als Augen und Nase liefen und das Feuer seine Kehle verbrannte. Rufus schlug ihm mit beherrschter Kraft auf den Rücken. »Nur ganz kleine Schlucke, Will«, riet er, nun schon wieder in lockerem und amüsiertem Ton.
Will röchelte mit tränenden Augen: »Wie willst du das alles bewerkstelligen?«
»Das weiß ich noch nicht, aber mir wird etwas einfallen. Und jetzt gehst du zu Tisch. Ich muss nachdenken.«
Will ließ seinen Vetter mit seinen Gedanken und dem Tonkrug allein. Rufus legte Holz nach und setzte sich ans Feuer. Der Trunk brachte zwar Wärme und Entspannung, konnte aber seinen heißen Zorn nicht besänftigen. Von allem dem Haus Rothbury angetanen Unrecht war das schwerste, dass dem Marquis of Granville die Verwaltung der konfiszierten Rothbury-Güter für alle Zeiten übertragen worden war.
Und nun die allertiefste Demütigung. Die Einkünfte aus den Gütern sollten Granvilles Verbündeten im Bürgerkrieg zugutekommen.
Rufus trank stetig und mit Absicht, während das Feuer im Kamin erlosch und mit ihm sein Zorn. Kalte Entschlossenheit und klare Planung traten an seine Stelle. Als er schließlich vom nahezu leeren Krug abließ und sein einsames Bett aufsuchte, stand sein Plan so gut wie fest. Bei seinem kurzen und erstaunlich unterhaltsamen Besuch auf Castle Granville hatte er viele nützliche Tatsachen in Erfahrung bringen können.
Kapitel 6
Im flackernden Laternenlicht schienen die schwankenden Schatten der Männer mit der Außenmauer von Castle Granville zu verschmelzen. Maultiergewieher drang aus der lichtdurchzuckten Dunkelheit tief unter Portias Guckloch. Sie konnte das Tier oder die Tiere nicht sehen, die irgendwo außerhalb des Lichtkreises darauf warteten, dass ihnen die Tragkörbe abgenommen wurden. Nur die Männer konnte sie sehen, tiefgebückt unter ihren Lasten, aus der Dunkelheit auftauchend, auf die Geheimtür zuhaltend, die in der dicken Mauer nur für jene sichtbar war, die gezielt auf sie zugingen.
Der geheime Eingang war vom Graben aus zugänglich, von einer Stelle unter der Zugbrücke aus. Wie sie auf einem ihrer bei Tag
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