Die geraubte Braut
in einer Räuberhöhle Kerkerzellen.«
»Wir haben ein Gefängnis«, entgegnete Rufus mit satanisch freundlichem Lächeln. »Aber ich glaube, Ihr werdet es im Obergeschoß behaglicher haben. Dort oben ist ein Apfelspeicher, der entsprechend hergerichtet wurde.«
»Sicher wüsste Olivia Eure Umsicht zu schätzen, Sir.«
»Das will ich hoffen«, erwiderte er mit unbeirrbarem Lächeln. »Und ich hoffe, Ihr wisst sie ebenso zu schätzen, Mistress Worth.«
Portia stand auf. Schlagartig war sie zu müde, um sich mit einem so schwierigen Widersacher Wortgefechte zu liefern. »So sehr ich Eure Gesellschaft schätze, Lord Rothbury, ziehe ich im Moment das Alleinsein vor.«
»Das ist Euer gutes Recht«, sagte er einst. »Kommt, ich zeige Euch Eure Schlafstatt.«
Portia folgte ihm über die schmale Treppe hinauf in einen großen, gut eingerichteten Raum, in dem ein stattliches Bett und andere massive Möbel aus Eichenholz standen. Im Kamin brannte ein Feuer, Bastmatten deckten den sauber gefegten Boden. Diese alles andere als luxuriöse Einrichtung schuf dennoch eine Atmosphäre rustikaler Behaglichkeit. »Wer schläft hier?«
»Ich.« Er öffnete die Tür zu einer kleinen sauberen Kammer. »Und dies hier wurde für Euch vorbereitet.«
Portia zögerte.
»Ihr seid vor mir sicher«, bemerkte Rufus knapp.
»Meiner Erfahrung nach meinen Männer, die sagen, man sei vor ihnen sicher, meist das Gegenteil«, gab Portia zurück.
Rufus schüttelte den Kopf. »Mädchen, wenn ich eine Frau in meinem Bett haben möchte, finde ich mühelos eine. Seid versichert, dass unwillige Frauen für mich nie verlockend waren.« Ungeduldig bedeutete er ihr, sie solle die kleine Kammer betreten.
Portia sah keinen Grund, ihm nicht zu glauben, zudem konnte sie die Tür ohnehin abschließen. Sie trat ein.
»Ich glaube, Ihr findet alles vor, was Ihr braucht. Ein Nachthemd, Handtuch, Seife, Wasser im Krug, ein Nachtgeschirr unterm Bett.« Rufus ließ den Blick über die Einrichtung wandern wie eine erfahrene Haushälterin. »Wenn Ihr etwas braucht, dann ruft einfach.«
»Ein hübsches kleines Gefängnis«, bemerkte Portia, die mit einem Blick das winzige vergitterte Fenster erspäht hatte.
Rufus beachtete ihren Einwurf nicht. »Gute Nacht, Portia«, sagte er nur, ging hinaus und schloss die Tür fest hinter sich.
Portia sprang an die Tür. Kein Schloss oder Riegel. Sie konnte sich nicht einschließen, aber sie konnte andererseits auch nicht eingesperrt werden. Nun machte sie sich daran, die Kammer zu untersuchen. Sie war klein, aber ausreichend. Eine Wand stieß an den Kamin des großen Raumes, so dass die Ziegel vom Feuer der anderen Seite gewärmt wurden.
Sie setzte sich aufs Bett und dachte über ihre Situation nach. Sie war die falsche Geisel, die für keine der beiden Seiten in den Lösegeldverhandlungen von Wert war. Rufus Decatur konnte ihr die Kehle durchschneiden und sie irgendwo in den Hügeln verscharren, ohne dass es jemand erfahren würde. Dass Cato zur Befreiung seiner Nichte seine Streitmacht ausschicken würde, war wenig wahrscheinlich. In diesem Krieg gab es für ihn Wichtigeres als das Wohlergehen der unerwünschten und bettelarmen Bastardtochter seines Bruders.
Und Olivia? Wie hatte sie auf die gewaltsame Entführung reagiert? Sie musste zu Tode erschrocken sein. Alles war so plötzlich gekommen und musste ihr völlig sinnlos und grausam erschienen sein. Es war eine Szene, die jedem Todesangst eingejagt hätte. Portia wusste, dass Olivia die Frage quälen würde, wie sie ihr hätte beistehen sollen. Und sie hatte niemanden, der sie beruhigen würde. Ihr Vater war zu beschäftigt, und ihre Stiefmutter!
Portia wickelte eine rote Haarsträhne um ihren Zeigefinger. Im Moment konnte sie nichts für Olivia tun. Es erschien ihr mehr als wahrscheinlich, dass der Hass Rufus Decaturs auf alles, was nur entfernt mit den Granvilles in Verbindung stand, verhindern würde, dass er sie einfach zurückschickte und somit eine Schlappe eingestand. Alles in allem bot ihre Lage keinen Grund zu großem Optimismus.
»Es gibt keine Spur … nicht einmal einen Fußabdruck!« rief Cato aus, als er den Salon seiner Frau betrat. »Mir ist unbegreiflich, wie sie spurlos verschwinden konnte.«
Er warf sich in einen mit Schnitzwerk verzierten Stuhl am Feuer und starrte düster in die Flammen.
Diana erhob sich anmutig und ging an das Büffet. Sie goss Wein in einen Zinnpokal und bot ihn ihrem Gemahl an. »Seit das Mädchen kam, gab es mit ihm nur
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