Die geraubte Braut
unwirklich war, dass Portia sich fragte, ob sie nicht bald aus einem Traum erwachen würde.
Will, der sich von der Tür kaum entfernt hatte, fuhr fort, sie ungläubig anzustarren. »Aber wer ist die da?«
»Portia Worth«, sties Portia hervor. Sie war nicht mehr gewillt, sich von diesem Idioten wie eine Strohpuppe anglotzen zu lassen. »Warum sprecht Ihr mich nicht direkt an, wenn Ihr Fragen zu meiner Person habt?«
Will errötete bis an die Haarwurzeln, und in seine Augen, von hellerem Blau als jene seines Vetters, trat Bestürzung. »Verzeiht, Madam. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
»Unhöflich?« rief Portia aus. »Nachdem man mich entführte und mich so fest einwickelte, dass ich wie eine Wurst in der Haut steckte, nachdem ich davon geschleppt und stundenlang durchgerüttelt wurde, redet Ihr von Unhöflichkeit?!«
Ein hilfloser Blick Wills traf Rufus, der am Kamin lehnte und den Krug mit nur einem, durch den Henkel gesteckten Finger mit Leichtigkeit festhielt.
»Aber … wird Granville denn zah-«
»Das bezweifle ich sehr«, unterbrach Rufus ihn. »Aber seine Reaktion könnte interessant sein. Die Lösegeldforderung ist ihm nach der Entführung zugegangen. Er wird eine gewisse Bedenkzeit benötigen.«
»Und wenn er gar nicht reagiert?«
Die Belustigung schwand aus den leuchtenden blauen Augen, die Miene des Earls verhärtete sich. »Dann werden wir einen anderen Weg finden müssen, Will.«
»Aber ich begreife noch immer nicht, wer sie … ich meine, wer Ihr seid.« Will war bemüht, seine Fragen an Portia zu richten, die nun gesättigt war und aufmerksam lauschte, da sie zu erfahren hoffte, was der Earl of Rothbury vom Marquis of Granville wollte.
»Das Mädchen ist die Tochter von Catos Halbbruder Jack Worth.«
»Ach so.« Will starrte Portia, die seinen Blick erwiderte, unverwandt an.
»Die Bastard-Tochter«, ergänzte sie mit Absicht. »Keinen Penny wert, da Jack tot ist.«
Stille erstreckte sich zwischen ihnen, dann sagte Will, der unbewusst seinen Gedanken nachgehangen hatte: »Ach, da fällt mir ein … die jungen, Rufus. Sie liefen mir nach, müssen aber abgelenkt worden sein. …« Er riß die Tür auf und rief in die Nacht hinaus: »Luke … Toby … wo seid ihr Teufelsbraten?«
Portia überlief ein Schauer, als ein Windstoß durch die offene Tür fuhr. Im nächsten Moment kollerten zwei Bündel an Wills Beinen vorüber und landeten in der Küche. In Jacken und Wämse eingepackt, waren sie so breit wie hoch. Zwei blaue Augenpaare schweiften blitzschnell durch den Raum.
»Wir sind zurück«, verkündete Toby.
»Das sehe ich«, bemerkte Rufus ernst.
»Wer ist das?« Luke deutete auf Portia.
»Mein Gast«, erwiderte sein Vater im gleichen Ton.
»Wie Maggie?« fragte Toby voll altklugem Interesse.
Will erstickte beinahe, und Rufus sagte. »Nicht so ganz. Mistress Worth wird sich hier ein paar Tage aufhalten.«
»Ach, werde ich das?« gab Portia halblaut von sich. Wer waren die zwei Knaben, und wer war Maggie?
»Soll ich sie zu Bett bringen?« Will deutete auf die jungen, die ganz plötzlich vor dem Feuer zusammengesunken waren, wo sie nun saßen und sich leicht schwankend die Augen rieben.
»Nimm Toby, ich nehme Luke.« Rufus bückte sich nach einem der Kinder und trug es hinter einen Vorhang in der Ecke des Raumes. Will folgte mit dem zweiten. Portia war total verblüfft. Nahmen die Überraschungen bei diesem Mann denn kein Ende? Halblauter kindlicher Protest, der ignoriert wurde, drang hinter dem Vorhang hervor. Nach wenigen Minuten tauchten Will und Rufus wieder auf.
»Habt Ihr sie angekleidet zu Bett gebracht?« Portia konnte sich diese Frage nicht verkneifen.
»Zum Ausziehen waren sie zu müde«, sagte Rufus obenhin. »Morgen werdet Ihr formell mit ihnen bekanntgemacht.«
»Es sind Eure Kinder?«
»Meine leiblichen Söhne«, sagte er mit Absicht. »Und sie sind unbezahlbar.«
Portia fühlte ihre Wangen erglühen. Sie griff nach ihrem Humpen und leerte ihn.
»Soll ich noch etwas tun?« Will hantierte mit dem Verschluss seines Mantels.
»Nein. Halte nur George davon ab, dass er sich aus Scham und Reue voll laufen lässt. Ihm klarzumachen, dass es nicht seine Schuld war, dürfte nicht einfach sein.«
Will nickte und ging zur Tür. Dort blieb er stehen und warf Portia, die in ihren leeren Humpen starrte, einen Blick zu. Auf eine Handbewegung von Rufus hin ging Will wortlos.
Portia blickte auf. »Wo hättet Ihr die arme kleine Olivia festgehalten? Aber vermutlich gibt es
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