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Die geraubte Braut

Die geraubte Braut

Titel: Die geraubte Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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schrecklichen Ereignisse des Tages sie gelähmt, saß sie nur wie benommen da, unfähig, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
    Doch das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür fuhr ihr in die Glieder. Sie sprang auf und ging an die Kammertür, um sie vorsichtig zu öffnen. Absolute Stille. Rufus Decatur war ausgegangen und hatte sie allein gelassen.
    Er muss der Meinung sein, dass ich nach den Aufregungen und Schmerzen des Tages fest schlafe, dachte sie. Oder aber er nahm an, dass sie zu verschreckt war, um sich die unversperrte Tür zunutze zu machen. In diesem Fall befand er sich im Irrtum.
    Auf Zehenspitzen schlich sie erst durch das große Schlafgemach und dann die Treppe hinunter. Die Reste ihres Abendessens waren abgeräumt, das Feuer war gedämpft, auf dem Kaminsims brannte eine frisch angezündete Kerze. Vielleicht hatte er nicht die Absicht, lange auszubleiben.
    Sie warf einen Blick zum Vorhang in der Ecke. Von Neugierde getrieben ging sie auf Zehenspitzen näher und zog ihn beiseite. Die Kinder schlummerten wie junge Hunde, unter einem Berg von Decken aneinandergeschmiegt. Ihre Mäntel und Wämse hatten sie noch an, wie sie missbilligend sah. Janet Beckton wäre in Ohnmacht gefallen. Trotz ihrer bedrängten Lage entlockte ihr dieser Gedanke ein Lächeln. Zwischen diesem notdürftigen Nachtlager in Rufus Decaturs Brigantendorf und der ordentlichen Kinderstube auf Castle Granville lagen Welten.
    Sie blickte auf die schlafenden Gesichter unter ihren blonden Haarschöpfen und dachte an die hellblauen Augen der Kinder … Sie waren ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Irgendwo musste es eine Mutter geben, eine Frau, die einer Ehe nicht würdig befunden war.
    Sie schützte die Lippen, als sie zurücktrat und den Vorhang fallen ließ. Frauen galten hier offenbar wenig.
    Welche Stellung nahm dann sie ein? Eine unerwünschte Geisel, eine Frau, auf sich allein gestellt in diesem einsamen Brigantenlager? Zwar besaß sie noch ihr Messer, das allerdings bei einem gezielten Angriff nur eine schwache Gegenwehr darstellte. Eine Andeutung von Angst kroch ihr Rückgrat entlang und bewirkte, dass ihre Kopfhaut sich zusammenzog. Vor Decatur hatte sie behauptet, sie hätte keine Angst, doch gespielter Mut war als Schutzschild höchst unzulänglich, wie Portia nun klarwurde.
    Ihr Herz flatterte, als hätte sich ein Schmetterlingsschwarm dort eingenistet. Sie rannte zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit, um auf den verlassenen Weg hinauszuspähen. Der Himmel war wolkenlos wie den ganzen Tag schon. Sternenlicht und Mondschein erhellten das Dorf und ließen die Eisdecke auf dem Fluss glänzen. Aus dem Gebäude mit der langen Bank, das die Kantine sein musste, drangen Stimmen, Gelächter, Gesang. Wenn sich alle einen fröhlichen Rausch antranken, bot sich ihr vielleicht eine echte Fluchtchance.
    Sie schlüpfte hinaus auf den verlassenen Weg und drückte sich an die Mauer in ihrem Rücken. Sie brauchte ein Pferd. Zu Fuß würde sie es nicht schaffen, nicht in dieser unwirtlichen und einsamen Gegend.
    In der bitterkalten Luft hing schwer und tröstlich Holzrauchgeruch. Sie sah goldenes Licht hinter Fensterbalken, da und dort roch es köstlich nach Essen, als sie, in die dunklen Schatten gedrückt, den Weg entlangellte. In den warmen und behaglichen Häusern saßen die Menschen am Feuer, genossen ihr Abendessen, scherzten miteinander, in ihren vier Wänden und im Kreis der Kameraden geborgen.
    Portia war in dem Bewusstsein aufgewachsen, eine Außenseiterin zu sein, ohne ein Zuhause, ohne Familie, die ihre Stellung in der Welt bestimmt hätte. Zwar hatte es Jack gegeben, aber Jack war nicht Familie im üblichen Sinn. Er war nur der Grund ihrer Existenz. Sie hatte sich für ein wenig Zuneigung und Unterstützung an ihn geklammert, bis sie alt genug war, sie beide zu erhalten und Jacks Trunksucht zu finanzieren. Als sie nun den dunklen Weg entlang huschte und sich die Szenen hinter den Fensterbalken ausmalte, erwachte das vertraute Gefühl der Isolation wieder mit aller Macht zum Leben. Sie versuchte, von einem Ort zu fliehen, an den sie nicht gehörte, um an einen Ort zu gelangen, wo sie ebenfalls fremd war. Meist war sie imstande, das ironische Element, das den verschiedenen Situationen anhaftete, voll auszukosten, da es ein gutes Mittel gegen das Unglücklichsein darstellte. Diesmal aber blieb seine Wirkung aus.
    Sie spitzte die Ohren nach Pferdegewieher und schnupperte nach Stallgeruch. Lange musste sie nicht

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