Die Gerüchteköchin
wer würde sich dann um sie kümmern? Aber ihre Mom log, und das war nicht in Ordnung. Sag mir die Wahrheit , hätte Em am liebsten gebrüllt, aber das ging nicht, deshalb fragte sie nur: »Wer hat das getan?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete ihre Mutter müde, aber wenigstens hörte sie sich endlich ehrlich an. »Sheriff Henley versucht, das herauszufinden. Er arbeitet schwer daran.« Sie hob ihren Blick zu Em und sah so furchtbar aus, dass Em sich schämte, sie mit Fragen bombardiert zu haben. »Wir wissen nicht, wer ihn erschossen hat, Em.«
»Ich will doch nur die Wahrheit wissen«, sagte Em. »Ich will wissen, was du weißt.«
Bei dieser Bemerkung schreckte ihre Mutter ein wenig zusammen und schüttelte dann den Kopf. »Ich weiß gar nichts, Liebling. Ich war noch nie in meinem Leben so durcheinander.«
»Okay.« Em stand auf. Sie war sich bewusst, dass sie zu ihrer Mutter gehen und sie drücken sollte, um sie zu trösten, aber aus irgendeinem Grunde konnte sie das nicht. »Okay«, sagte sie noch einmal und ging wirklich böse und wirklich traurig aus der Küche, obgleich Phoebe hinter ihr hertrottete.
Erst gegen vier Uhr bemerkte Maddie, dass Em verschwunden war. Sie rief nach ihr, um sie zu fragen, was sie zu Abend essen wollte, bekam jedoch keine Antwort. Sie schaute hinten im Garten nach und stellte fest, dass Ems Fahrrad und auch Phoebe nicht mehr da waren.
Das will nichts heißen, redete Maddie sich ein und suchte hastig im ganzen Haus, eigentlich lächerlich, weil das Fahrrad fort war. Nachdem sie sich noch einmal schnell im Garten und in der Garage umgeschaut hatte, blieb sie mitten auf dem Rasen stehen und ermahnte sich, nicht in Panik zu geraten, weil bestimmt alles in Ordnung sei.
Wen soll ich anrufen ? Die Polizei zu alarmieren, wäre eine Überreaktion, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war Em zu ihrer Großmutter gefahren oder Mel oder »Maddie, ist alles in Ordnung?«
Maddie bemerkte Gloria, die kurzsichtig über den Zaun blinzelte. »Hast du Em gesehen? Vor einer Minute war sie noch hier draußen.«
»Nein.« Gloria kam den Zaun entlang näher. »Nein, ich habe sie nicht gesehen. Ist sie verschwunden?«
»Oh.« Maddie machte eine abwehrende Geste mit der Hand, um sie zurück auf ihre Verandatreppe zu scheuchen. »Natürlich nicht. Sie ist nur fortgefahren, ohne mir Bescheid zu sagen, wofür ich ihr die Leviten lesen werde, das ist alles.«
»Vielleicht ist sie ja entführt worden«, spekulierte Gloria. »Das hört man doch in letzter Zeit häufig in den Nachrichten.«
»Nicht in Frog Point, Gloria«, sagte Maddie, während sie die Fliegentür öffnete und sich nicht einmal den Anschein von Höflichkeit gab. »Sie ist nicht entführt worden.« Heftig ließ sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen und blieb einen Augenblick in dem verzweifelten Versuch, nicht in Panik auszubrechen, in der Küche stehen.
Sie war nicht entführt worden. Wahrscheinlich war sie bei Mel.
»Treva?« fragte Maddie rasch, als jemand bei den Bassets den Hörer abhob.
»Was ist los?« fragte Treva. »Was klingst du so aufgeregt? Ist etwas passiert?«
»Hast du Em gesehen?«
»Oh, mein Gott.« Trevas Stimme entfernte sich, als sie sich offenbar abwandte, um durch das Haus zu rufen: »Mel, hast du Em gesehen?«
Maddie versuchte angestrengt, die leise Konversation mitzuhören, aber sie dauerte nicht lange genug, um etwas davon zu verstehen.
»Sie hat sie nicht gesehen, Mad«, sprach Treva zurück in den Hörer. »Sie meint, Em sei die ganze Woche in der Schule sehr still gewesen, so dass jeder sie in Ruhe gelassen hat. Sie sagt, sie habe versucht, mit ihr zu sprechen, aber Em habe sie nur schweigend angestarrt.«
»Oh.« Maddie wollte sich nicht vorstellen, wie Em einen Entführer oder den Mörder anstarren würde. »Hör zu, wahrscheinlich ist alles in Ordnung. Vermutlich ist sie zu meiner Mutter gefahren. Ich werde sofort dort anrufen. Mach dir keine Sorgen.«
»Wenn du sie nicht findest, gehen wir auf die Suche«, sagte Treva. »Wir haben drei Autos hier, mit denen wir die ganze Stadt abgrasen können. Ruf mich gleich wieder an und sage mir Bescheid.«
»Okay.« Schwach nickte Maddie in den Telefonhörer.
»Okay.«
Ihre Mutter bot noch weniger Hilfe.
»Wo steckt sie denn nur? Um Himmels willen, Maddie, das Kind kann überall sein. Warum würde sie davonlaufen wollen? Was hast du getan?«
»Mutter.« Maddie mobilisierte jedes Fünkchen Selbstbeherrschung, das sie aufbringen konnte. »Du
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