Die Gesänge Des Eisplaneten
er würde schon wissen, wie man mit diesen Bastarden umzugehen hatte; er würde sie dazu bringen, ihn und Papi endlich in Ruhe zu lassen. Diegos Erleichterung war so heftig, daß es ihn schon wieder erschreckte. Vielleicht war das Ganze ja doch nur eine Art Intrige, um ihn hoffnungsfroher zu stimmen?
»Bist du sicher?«
»Sicher bin ich sicher.« Sie schnippte angewidert mit der Hand.
»Ich laufe nicht in der Gegend herum und verbreite Gerüchte. Willst du mit zum Latchkay kommen?«
»Latchkay? Was ist das denn?«
»Eine Party. Alle kommen. Gute Lieder, gute Musik, gutes Essen«, erklärte sie, und Diego merkte, daß sie ganz aufgeregt war.
»Weiß nicht«, sagte er. »Habe keine große Lust auf Parties, solange es Papi schlecht geht. Außerdem glaube ich kaum, daß Giancarlo mich läßt.«
Bunny grinste selbstzufrieden. »Dann fragst du ihn eben einfach nicht. Frag Hauptmann Fiske. Du brauchst ihm bloß zu sagen, daß Majorin Maddock mir gesagt hat, ich soll dich fragen, dann läßt er dich mit Sicherheit gehn. Er mag sie.«
»Ach ja? Na schön, solange sich am Zustand meines Vaters nichts ändert, könnte ich wohl kommen, schätze ich. Hier ist ja sonst nichts los.«
Ihr Grinsen wurde noch ein Stück breiter. »Wirst froh sein, gekommen zu sein«, versicherte sie ihm. »Da lernst du einen Haufen guter Leute kennen und bekommst ein paar gute Lieder zu hören.«
»Das wäre mal eine Abwechslung. Hier in dem Laden läuft jedenfalls niemand rum, den man ›gut‹ nennen könnte. Was sind denn das für Lieder?«
»Welche, die meine Leute kennen. Welche, die sie über uns und unsere Geschichte schreiben. Gute Lieder«, meinte sie.
Wenn alles ganz normal gewesen wäre, wenn er wieder an Bord des Schiffes gewesen wäre, hätte er vielleicht irgendeine witzige Bemerkung gemacht, hätte irgend etwas gesagt, um sich über sie lustig zu machen. Doch inzwischen schien ihm das wie Kinderkram.
Sie meinte es ernst, und er hatte das Gefühl, es ihr schuldig zu sein, die Sache ebenfalls ernst zu nehmen.
»Wie sind die denn?«
»Na ja, manche singt man, andere trägt man im Sprechgesang vor.
Manche reimen sich und manche nicht. Aber alle erzählen dir von Sachen, die den Leuten widerfahren sind, Sachen, die auf dem Planeten passieren.«
»Wie Gedichte?«
»Schätze, schon. Wir nennen sie einfach nur Lieder oder Gesänge.
Wie sind denn Gedichte?«
Er grinste und sagte: »Warte mal kurz«, dann kehrte er zu seiner Koje zurück, wo er eins seiner kostbaren Hardcopy-Bücher aus seinem Gepäck hervorholte. Seine Nase war halb gefroren, aber es machte ihm nichts aus. Er brachte das Buch zurück und schlug es auf.
»Hier ist eins, das wird dir bestimmt gefallen.«
Ein paar von den Jungs hauten auf den Putz im Saloon von Malamute…
Er las ihr das ganze Gedicht vor, und es schien ihr tatsächlich zu gefallen; danach rezitierte sie etwas von sich, sie nannte es ein Lied.
Er mußte einräumen, daß es recht gut war, aber plötzlich genierte er sich, ihr anzuvertrauen, daß er selbst sich auch schon an so etwas versucht hatte. Außerdem fror er sich gleich zu Tode, wie er hier draußen vor dem häßlichen Gebäude stand und sich mit einem Mädchen über Lyrik unterhielt, das herumlief wie ein Gorilla.
»Schätze, ich sollte wohl mal wieder nach Papi sehen«, meinte er entschuldigend.
»Geht es ihm heute besser?« wollte Bunny wissen.
»Es wird ihm sehr viel besser gehen, sobald Steve hier ist. Bist du sicher, daß du mich damit nicht nur aufgezogen hast?«
Bunny schüttelte den Kopf. »So etwas tue ich nicht, Diego. Das täte keiner von uns.«
Dann ging sie davon. Diego sah ihr nach, wie sie im Schnokel fortfuhr, fragte sich, wie ein Mädchen nur die Gelegenheit bekommen hatte, eines der wenigen anständigen Fahrzeuge auf diesem Eisberg zu fahren. Vielleicht, wenn Steve hier eintraf… Nein, darauf würde er nicht bauen. Nicht, daß er immer noch glaubte, daß Bunny ihn anlügen würde: Weshalb hätte sie das auch tun sollen? Aber vielleicht würde es ja doch nicht so leicht gehen, wie sie glaubte. Vielleicht würde Giancarlo nicht zulassen, daß Fiske nach Steve schickte. Diego mochte Bunny zwar, aber sie hatte nicht annähernd so viel Erfahrung mit Firmenleuten wie er – sie konnte nicht wissen, wie verlogen Leute sein konnten. Sie war wirklich ein komisches Mädchen. Und sie schien diese Welt auch wirklich zu mögen.
8. KAPITEL
Ein Kratzen an der Tür kündete von Sineads Eintreffen irgendwann um
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